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Wien - Konzentration und größte Differenzierung: Das bietet die Gattung Lied mit ihren kleinen Formen, das verlangt sie aber auch den Interpreten und Zuhörern ab. Auf die Spitze getrieben wurde dies von Anton Webern: jede Geste ein verkappter Roman. Bei dessen George-Liedern (op. 3) war Christine Schäfer ganz in ihrem Element: Mit glasklar fokussierten Linien, besonders in der hohen Lage, huldigte sie zugleich dem Ideal von Ökonomie und größtem Farbreichtum. Wesentlich daran beteiligt war Pianist Eric Schneider, der ohne jede Liedbegleiterattitüde agierte, vielmehr (wie auch bei Liedern von Mozart und Berg) mit Sorgfalt präsent blieb.

Nur schade, dass es die Sängerin zuweilen an Spannung fehlen ließ, indem sie Phrasen einen Deut zu früh beginnen ließ. Ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen geschliffenen Artikulation und Atemkontrolle. Konzentrationsschwächen wurden bei den Texten deutlich. Merkwürdig, denn Schäfer ist eine Meisterin der Wortausdeutung, die mit Nuancen, mit Nachdruck ihren Interpretationen subtil Gewichtungen verleiht. Dies galt noch bei so etwas Abgedroschenem wie Schuberts Ave Maria, das sie neben den beiden anderen, kaum weniger heiklen Nummern aus Ellens Gesängen mit weit mehr psychologischer Tiefe ausstattete, als es die Texte je ahnen lassen würden.

Nicht im vollen Umfang fit zeigte sich der Sopran indes etwa bei Schuberts An den Mond (Goethe), bei dessen Melismen die Stimmführung gefährdet erschien. Dennoch glückte es, auch noch bei dieser Zugabe, ohne falsche Emphase zu einem Maximum an Emotion zu gelangen. (daen/ DER STANDARD, Printausgabe, 31.3.2011)