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Assad ließ sich nach seiner Rede feiern.

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Damaskus - Der syrische Präsident Bashar al-Assad lässt die Möglichkeit einer Aufhebung des seit 1963 geltenden Ausnahmezustands prüfen. Dabei handelt es sich um die zentrale Forderung der Demonstranten, die seit gut zwei Wochen für demokratische Reformen auf die Straße gehen. Der Staatschef habe zu diesem Zweck eine Kommission eingesetzt, meldete die amtliche Nachrichtenagentur SANA am Donnerstag. In seiner ersten öffentlichen Rede seit Ausbruch der Unruhen in mehreren Städten hatte Assad am Vortag die Aufhebung der entsprechenden Gesetze mit keinem Wort erwähnt, obwohl dies in seiner Umgebung in Aussicht gestellt worden war. Vor dem Parlament in Damaskus hatte Assad die Protestwelle als Ergebnis einer „ausländischen Verschwörung" bezeichnet.

Assads panarabisch-nationalistische Baath-Partei ist seit 1963 in Syrien an der Macht. Sie steuert die Massenbewegung „Nationale Progressive Front", die auch Dachorganisation der vom Regime tolerierten anderen Parteien - u.a. Sozialistische Union, Sozialdemokratische Partei, Arabische Sozialisten, zwei kleine marxistische Parteien und Vereinigte Sozialisten - ist.

Machtkämpfe

Die laizistisch ausgerichtete „Partei der Arabischen Wiedererweckung" (Baath) war 1947 von dem Christen Michel Aflak gegründet worden. 1963 übernahm sie in Damaskus die Macht. 1966 kam es nach einem heftigen Machtkampf zur Ausschaltung der „rechten" Baath-Kräfte. Der radikale „Neo-Baath" unter Nureddin al-Atassi kam ans Ruder und schloss ein Bündnis mit der Sowjetunion. Der 36-jährige Luftwaffenchef Hafez al-Assad wurde Verteidigungsminister. 1970 stürzte er Atassi und optierte für einen „pragmatischeren" Kurs. 1973 erhielt das Land eine „sozialistische" Verfassung, die bis heute gültig ist. Im Nachbarland Irak herrschte von 1968 bis 2003 ein verfeindeter Baath-Flügel. Nach Assads Tod wurde dessen Sohn Bashar im Jahr 2000 Präsident.

Während Oppositionelle Assads Ansprache vor dem Parlament am Mittwoch als Kampfansage an die regimekritischen Kräfte interpretierten, wiesen die Anhänger der Regierungspartei auf die vom Präsidenten angekündigten Reformen hin. Die Staatsmacht, die sich auf einen schlagkräftigen Polizei- und Geheimdienstapparat stützt, hatte zuletzt mehrfach Demonstrationen mit brutaler Gewalt beendet. Nach inoffiziellen Angaben starben mehr als 100 Menschen. Journalisten wurden bei der Berichterstattung über die Proteste behindert. Am Dienstag war die Regierung von Ministerpräsident Naji Otri zurückgetreten.

Kurz nach Assads Rede war es in der Stadt Latakia erneut zu einer Protestkundgebung gekommen, bei der ein junger Mann getötet wurde. Oppositionelle berichteten von zahlreichen Verletzten. In den Internet-Foren der Opposition wurde über einen Zwischenfall diskutiert, der sich nach der Rede Assads vor dem Parlament in Damaskus ereignet hatte. Eine Frau mit Kopftuch hatte sich dem Fahrzeug des Präsidenten genähert und versucht, ihm ein Papier zu übergeben. Leibwächter stießen sie zur Seite. Über ihre Identität wurde zunächst nichts bekannt. (APA/Reuters/dpa)