Die Erde als unförmige Kartoffel. Exakter konnte das Schwerefeld der Erde bisher noch nie dargestellt werden. Die gelben Zonen markieren Regionen mit höherer Schwerkraft, blaue Areale mit niedrigerer Gravitation.

Foto: ESA/HPF/DLR

Die Erde ist eine unförmige Kartoffel, zumindest wenn man sie als Schwerefeld darstellt: Nach nur zwei Jahren in der Umlaufbahn hat der ESA-Satellit GOCE genügend Daten zusammentragen, um die Gravitation der Erde mit bisher unerreichter Genauigkeit zu kartieren. Koordiniert von Forschern der Technischen Universität München (TUM) haben Wissenschafter damit das bislang präziseste Modell des globalen Schwerefeldes erstellt.

Das wissenschaftlich Geoid genannte Modell zeigt die gedachte Oberfläche eines globalen, ruhenden Ozeans, der ohne Einfluss von Gezeiten und Erddrehung allein durch die Schwerkraft geformt wird. Da diese nicht überall gleich ist, machen sich Gebiete mit geringer Schwerkraft als "Dellen" bemerkbar, stärkere Anziehungskräfte hingegen als "Beulen". Das Modell soll helfen, die Funktionsweise der Erde wesentlich besser zu verstehen.

Das Geoid liefert Ozeanographen wichtige Referenzdaten für ihre Messungen: Aus den Differenzen zwischen dem idealisierten Ozean, der aufgrund der Schwerkraft zu erwarten wäre, und dem tatsächlichen Meeresspiegel können die Wissenschaftler beispielsweise Ozeanströmungen ableiten. Die Strömungen werden ebenso wie zu messende Änderungen des Meeresspiegels und Eisbewegungen durch den Klimawandel beeinflusst und sind damit für dessen Erforschung entscheidend.

Erweitertes Wissen über Erdbeben

Die von GOCE gesendeten Daten des Schwerefelds erweitern zudem das Wissen über die Entstehung von Erdbeben wie jüngst in Japan. Da die Gravitation in direktem Zusammenhang mit der Masseverteilung im Erdinnern steht, können die Daten dazu beitragen, die Dynamik in der Erdkruste und die Entstehung von Erdbeben besser zu verstehen.

Nicht zuletzt soll das Vermessungswesen von den GOCE-Daten profitieren. Bislang gibt es allein in Europa mehr als 20 verschiedene Höhensysteme, die sich an unterschiedlichen Meerespegeln orientieren. Anhand der exakten Geoid-Referenzfläche sollen Höhen künftig auf allen Kontinenten problemlos miteinander verglichen werden können. In Kombination mit Satellitennavigationssystemen (zum Beispiel GPS) soll es möglich sein, jedem Nutzer überall solche Angaben auf den Zentimeter genau zur Verfügung zu stellen. Dadurch würde die Planung von Straßen-, Tunnel- und Brücken deutlich einfacher. (red)