Wien - Regierungsumbildung? Obmanndebatte? In der ÖVP mangelt es nach dem Abgang der EU-Abgeordneten Ernst Strasser und Hella Ranner nicht an Zurufen. Die Wiener Parteichefin Christine Marek hält die für entbehrlich: "Die Leute, die großkotzig herumreden, sollen vor der eigenen Tür kehren", sagte sie am Donnerstag zum Standard. "Diese Zurufe stärken nicht, sondern sägen am Ast, auf dem wir alle sitzen." Parteichef Josef Pröll habe als Finanzminister viele offene Baustellen - "aber das als Führungsschwäche zu interpretieren, halte ich für sehr billig".
Sehr schwierig sei die Situation für ehrenamtliche Schwarzen, meint Marek: "Die fühlen sich ans Bein gepinkelt." Umso wichtiger sei, dass es nach dem Erscheinen des Videos, auf dem Strasser seine Dienste als Lobbyist anbietet, klare Worte gegeben habe. Jetzt müsse man zusammenrücken und offen diskutieren - aber intern.
Der Salzburger VP-Landesobmann Wilfried Haslauer empfiehlt seiner Partei einen völlig "neuen Stil in der Politik". In Wien sei "zu viel Taktik, zu viel Parteipolitik und zu wenig Sachpolitik im Spiel. Nur eine Politik, die auf die Menschen hört, wird die ÖVP wieder mehrheitsfähig machen." Die ÖVP werde aus der Krise kommen, wenn sie wieder bürgerliche Politik mache, Pröll werde die Partei wieder auf Kurs bringen.
Der Kärntner VP-Chef Josef Martinz sieht keine Krise. Freilich habe sich der Zustand der Partei durch die aktuellen Skandale verschlechtert, das sei aber kein Grund für Obmann-Diskussionen: "Vor einem Jahr war Pröll Superstar und heimlicher Kanzler. Jetzt, weil er Gesundheitsprobleme hat, glauben einige, er hat die Partei nicht im Griff. Eine solche Diskussion ist absolut entbehrlich."
"Hinsichtl und Rücksichtl"
Der steirische VP-Chef, Hermann Schützenhöfer sagte zum Standard, Pröll dürfe nicht "Hinsichtl und Rücksichtl auf jede Region oder auf die bündische Struktur nehmen". Außerdem betont Schützenhöfer, selbst ÖAAB-Mann: "Bünde sind Vorfeldorganisationen, am Hauptspielfeld agiert der Parteiobmann und mit ihm starke Länder." Bünde müssten wissen, dass sich "ihre Bedeutung, wie ja insgesamt die Bedeutung der Parteien in der Gesellschaft, minimiert hat".
Schützenhöfer, der gerade selbst ein unpopuläres Sparpaket mit SP-Landeschef Franz Voves beschlossen hat, fordert mehr Solidarität der anderen Landesparteien für Pröll, anstatt "wegen des Sparpakets mit Klagen zu drohen" oder Verschiedenes zu Wehrpflicht und Schule zu verbreiten.
Für Vorarlbergs Landeschef Herbert Sausgruber (VP) sind die "Vorgänge" in der ÖVP "im höchsten Maße unerfreulich". Der Fall Strasser sei "besonders krass", die Bundespartei in einer "schwierigen Situation". Zu personellen Änderungen in der Regierung oder der Partei meint er: "Ich halte nichts von Zurufen über die Medien." (cms, hei, jub, neu, stein, DER STANDARD; Printausgabe, 1.4.2011)