Wo diese Justiz hinschlägt, da wächst das Gras drüber. Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine den Bestand der Republik gefährdende Tierschützerverschwörung, sondern um personifizierte Altlasten aus den Zeiten, in denen Wolfgang Schüssel aufgepasst hat wie ein Schäferhund. Einmal wirken diese wuchtigen Schläge ganz gezielt, etwa wenn, damit es nicht gar so krass auffällt, im Windschatten des Strasser-Skandals Mitschneidern am Eurofighter-Kauf eine penetrant stinkende Schuldvermutung in eine Unschuldsbestätigung verwandelt wird. Das andere Mal treffen die Schläge nicht einmal, wenn wenigstens dazu ausgeholt wurde, wie beim peinlichen Freispruch des Ex-Hypo-Chefs Wolfgang Kulterer. So bleibt das "System Haider" zwar als anrüchig bekannt, aber weiterhin offiziell unbenannt. Kulterer atmete hörbar auf, der gesponserte Airchief und die Rumpolds haben ohnehin nichts anderes erwartet.

Diese Justiz haut sogar daneben, wo sie sich bemüht, etwas Falsches einmal richtig zu machen. Hätte sie Ernst Strasser vor ein paar Jahren nicht den Genuss einer Verjährung beschert, wer weiß, ob ihn seine Partei für würdig befunden hätte, in Brüssel englischen Boulevardjournalisten die Maske vom Gesicht zu reißen. Jetzt hat die Volkspartei das Nachsehen wegen gesunkenen Ansehens. Ihre Granden wirken ziemlich geschrumpft, so wie sie nun antreten, um ihrer Entrüstung über einen Mann Ausdruck zu verleihen, an dem sie so viele Jahre nichts auszusetzen hatten. Sie wären im tobenden Zickenkrieg glaubwürdiger, hätten sie Strasser schon damals aufgefordert, den Liebesdienst der Justiz nicht in Anspruch zu nehmen. Aber kann ein christlicher Politiker so hart sein, ein solches Angebot abzulehnen? Da macht man den Verjährling lieber zum Delegationsleiter bei der EU.

Wenn es möglich ist, dass ein Mann eine ganze Partei durcheinanderbeuteln kann, ist das ein sicheres Indiz dafür, dass die Ursachen der Krise tiefer sitzen. Jetzt tritt der ÖVP-Parlamentsklub mit einer Deklaration über Ethik in der Politik hervor, in der alle Handlungen von Politikern verurteilt werden, "die auch nur den Anschein erwecken, politische Funktionsträger würden ihre Arbeit nicht an ideellen Motiven und Überzeugungen orientieren, sondern in ihrer Tätigkeit persönlichen finanziellen Interessen folgen". Hätte diese Maxime früher gegolten, hätte es ein Karl-Heinz Grasser nie zum angeschmachteten Idol im Parteivorstand bringen können, und das Land müsste nicht Zeuge sein der schleppenden Aufarbeitung der Schüssel-Zeit, in der es vor wohlgelittenen, weil als Mehrheitsbeschaffer benötigten Funktionsträgern wimmelte, deren ideelle Motive von ihren persönlichen Interessen nicht zu unterscheiden waren.

Strasser ist auch nur ein Kind dieser Zeit und seine nun mit moralischem Pomp inszenierte Weglegung allein wird die Glaubwürdigkeit nicht wiederherstellen. Schon gar nicht, wenn instinktloser Bestemm dem Lobbyisten einen Lobbyisten nachschickt und solange eine Justizministerin, die es aus eher taktischen als ethischen Gründen geworden ist, zum Versagen in ihrem Ressort rituell nicht mehr zu raunen weiß als, ihr gefielen diese Dinge gar nicht. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 1.4.2011)