Wiener Neustadt - Wie es kam, dass sich die Telekom Austria (TA) im Oktober 1999 mit 1,175 Milliarden Schilling (86,4 Mio. Euro) bei Libro einkaufte und damit eine ihrer größten Fehlinvestitionen tätigte, versuchte das Schöffengericht unter Richterin Birgit Borns am Freitag zu erhellen.

Viel Licht brachten die Zeugenaussagen der Ex-TA-Manager Werner Kasztler und Rudolf Fischer nicht ins Dunkel des Flops, denn der im März 2000 abgelöste Ex-TA-General Kasztler konnte die Motive für den Einstieg der TA bei Libro erläutern. Nicht aber, warum sein Nachfolger Heinz Sundt (er war zuvor A1-Chef und als Erfinder der Kooperation mit Libro beschrieben) kein halbes Jahr später nichts davon realisierte und ihren Libro-Anteil im März 2001 auf null abgeschrieben hat.

Laut Kasztler verfolgte die TA eine Zangenstrategie: Sie wollte in den 260 Libro-Filialen ihre A1-Handys und Festnetztelefon-Verträge verkaufen, ihren Konkurrenten Libro-Tel kalt stellen und junges Publikum gewinnen (das sich im Libro-Portal Lion.cc tummelte). Dazu sollten die TA-Internet-Aktivitäten zu Lion wandern.

"Bestens geprüft"

Dass die TA - sie ist Privatbeteiligte im Prozess - die Libro-Bücher erst nach dem Kauf prüfte, erklärte Kasztler mit der Eile, auf die Libro-Altaktionär UIAG wegen des Libro-Börsengangs gedrängt habe. Auch sei Libro "eines der bestgeprüften Unternehmen" gewesen. Kapazunder wie KPMG, CA-IB und Shearman Sterling waren involviert. Mysteriös die Rolle der CA-IB: Sie prüfte Libro im Auftrag der TA, kassierte zuvor von der UIAG eine Erfolgsprämie für die Libro-Partnersuche, hatte 1997 für Billa-Gründer Wlaschek Libro-Käufer gefunden - und war 2000 im Konsortium beim TA-Börsengang. Der damalige TA-Festnetzchef Fischer stellte den TA-Rückzug aus Libro pragmatisch dar: Schwarz-Blau und ÖIAG drängten die TA an die Börse und Investmentbank Merrill Lynch forderte eine Internet-Offensive. Jet2web war geboren. Die 70 Mio. S für 6,7 Prozent an Lion habe die TA 2000 quasi als Entschädigung an Libro bezahlt. (ung)