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Libysche Rebellen bringen einen gefangengenommenen Söldner aus dem Tschad nach Bengasi.

Foto: Reuters/Winning

Eine Aktion, die das Rote Kreuz nicht gutheißen kann.

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Ein Pick-up rast mit quietschenden Reifen auf das Gerichtsgebäude in Bengasi zu und durchbricht schlitternd eine Absperrung. Bewaffnete Männer auf der Ladefläche schießen wild in die Luft. Dutzende Einheimische rennen um ihr Leben, suchen Deckung. Alles sieht nach einem Überfall der Soldaten von Machthaber Muammar al-Gaddafi aus.

Doch dann Entwarnung: Es sind Rebellen aus den eigenen Reihen. Sie haben Gefangene gemacht und bringen sie nun ins Epizentrum der libyschen Revolution.

Solche Szenen wiederholen sich immer wieder. Am nächsten Tag ist es ein vergitterter Viehtransporter, in dem mehr als ein halbes Dutzend verängstigter Schwarzafrikaner zuerst effektvoll durch das Stadtzentrum gefahren und dann den Zuständigen des Nationalen Übergangsrates übergeben werden.

Die Wut der Menschen auf Gaddafis Söldner ist schier grenzenlos. Sie entlädt sich ein nächstes Mal vor einem Gefängnis im Stadtteil Al-Rahba. Die Informationsverantwortlichen des Rates hatten den Medien Gespräche mit den Kriegsgefangenen zugesagt, diese aber dann zurückgezogen, nachdem ein Vertreter von Human Rights Watch interveniert hatte. "Wo sind die Menschenrechte in Misrata und Zintan?" , ereifert sich ein libyscher Journalist. Andere Kollegen sind ebenso zornig, bis die Behörde schließlich einlenkt. Der libysche Rote Halbmond soll sein Einverständnis gegeben haben, erklärt ein Funktionär.

Zwölf Kriegsgefangene werden schließlich im gleißenden Licht in einen Raum geführt - umringt von dutzenden Kameras und Mikrofonen. Es sind elf Soldaten der regulären Gaddafi-Armee und ein Söldner aus dem Tschad. Dieser junge Mann und ein Brigadier erwecken das meiste Interesse.

Die Gefangenen - fast alle haben sich kampflos ergeben - erzählen genau das, was Oberst Gaddafi in all seinen Reden über die Rebellen immer wieder behauptet hatte: Sie glaubten fest daran, gegen Ausländer oder die Terrororganisation Al-Kaida zu kämpfen, nicht aber gegen gewöhnliche Libyer, Zivilisten.

Ali Mohammed Seif aus dem Tschad, der in Ajdabiya aufgegriffen wurde, erklärt, er sei vor vier Jahren nach Libyen gekommen und habe als Söldner 10.000 US-Dollar im Monat verdient.

Mit dem älteren Brigadier haben sogar seine Bewacher Mitleid und zünden ihm eine Zigarette an. Mohammed Ali Dneish sieht extrem mitgenommen aus. Sein ganzes Berufsleben lang war er Dozent an einer Militärhochschule. Er wurde mit einem Privatauto nach Bengasi gebracht, wo ihn die Rebellen gefangennahmen, ohne dass er überhaupt in die Kämpfe eingegriffen hätte. Er werde gut behandelt, meint er schließlich.

Kritik des Roten Kreuzes

Aktionen wie diese, nämlich Gefangene öffentlich vorzuführen, seien nicht willkommen, erklärt ein Sprecher des Roten Kreuzes (IKRK) in Bengasi, weil sie die Rechte der Betroffenen und deren Menschenwürde verletzen würde. Das internationale Recht unterscheidet nicht zwischen regulären Soldaten und Söldnern, das IKRK spricht schlicht von Gefangenen, die im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten gemacht werden. Der Sprecher meint aber, es gebe eine gute Zusammenarbeit mit dem Nationalen Übergangsrat, der sich prinzipiell bemühe, die Menschenrechte einzuhalten. (Astrid Frefel aus Bengasi/DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2011)