Brüssel - Beschwichtigen und Relativieren hieß das Motto beim EU-Finanzministerrat am Dienstag in Brüssel angesichts der erneuten Exzesse bei Deutschlands Budgetdefizit: Der Geist des Stabilitätspakts werde nicht in Frage gestellt, meinte der französische Finanzminister Francis Mer, der selbst in der Vergangenheit genau dies getan hatte. EU-Währungskommissar Pedro Solbes betonte, dass Deutschland sich klar zum Pakt bekannt habe.

Finanzstaatssekretär Alfred Finz (ÖVP) konnte somit in Brüssel unter Verweis auf Deutschland die EU-Rüge für die eigenen Budgetperspektiven herunterspielen: "So gesehen sind unsere Sorgen relativ." Österreich bekam in Brüssel zwar wie erwartet bescheinigt, dass sein aktuelles Stabilitätsprogramm - also die Finanzplanung bis 2007 - "nur zum Teil" mit dem Stabilitätspakt in Einklang stehe. Doch für die Pensionsreform gab es klare Rückendeckung, "ermutigt" doch der Rat ausdrücklich die österreichische Regierung, "die ehrgeizigen Reformprojekte umzusetzen".

Kritik an Wiens Budgetperspektiven

Doch es habe sich in der Ratssitzung nur die EU-Kommission mit Kritik ans Wiens Budgetperspektiven zu Wort gemeldet, so Finz. Nur Karl-Heinz Grasser deutscher Kollege Hans Eichel konnte sich am Rande des Rats aber eine hämische Bemerkung nicht verkneifen: Es sei kein Wunder, dass Grasser nicht erschienen sei, meinte er mit Blick auf den Österreicher, der im Ecofinrat immer ganz besonders vehement seine Kollegen zu ausgeglichenen Budgets gemahnt hatte.

In der Bewertung des österreichischen Stabilitätsprogramms "bedauert" der Ecofin-Rat, dass "die österreichische Regierung nicht ihr bisheriges Ziel erreichen wird, einen ausgeglichenen Haushalt zu behalten". Doch Francis Mer will bei der Ratssitzung etwas anderes beobachtet haben: Sogar bei der EU-Kommission sei das Ziel ausgeglichener Haushalte bis 2006 "verschwunden". Diese Marke hatten sich die Finanzminister im Herbst - gegen Frankreichs Votum - gesteckt. Am Dienstag nahmen sie Eichels Ankündigung hin, den Budgetausgleich nicht vor 2007 zu schaffen.

Hoffnung auf Zinssenkung

Unterdessen machen sich die Minister nach einer Unterredung mit dem Direktor der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, nun Hoffnungen auf eine Zinssenkung. Die EZB sehe keine Inflationsgefahren auf absehbare Zeit, berichtete Eichel: "Das wird Raum geben für Maßnahmen", sagte er. Auch Mer interpretierte die EZB so.

Keine Einigung erzielte der Rat wegen der anhaltenden Blockade Italiens über die Richtlinie zur Zinsbesteuerung. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 14.5.2003)