Jetzt soll es also im Juni so weit sein. Die EU-Finanzminister versprechen einander für nächsten Monat die endgültige Verabschiedung der Richtlinie zur Zinsbesteuerung. Bis dahin soll auch Italiens Problem mit den Bußgeldern für überschrittene Milchquoten gelöst sein. Vor der Lösung dürfte noch ein Kuhhandel zugunsten Roms stehen, denn sonst hätte Premier Silvio Berlusconi umsonst die Vetokarte gezogen.

Ein Kuhhandel ist in der EU nichts Ehrenrühriges. Im Milchfall brachte Italien seine Partner nicht so sehr deshalb gegen sich auf, weil Rom sein Veto völlig überraschend im letzten Moment aus der Tasche zog - störend empfanden die EU-Partner es vielmehr, dass die Milchbuße nicht das Geringste mit der Zinssteuer zu tun hat. Mit der Verknüpfung verstieß Italien gegen die Anstandsregel, dass auch das egoistischste Veto immer noch irgendetwas mit dem blockierten Dossier zu tun haben muss.

Prinzip der Einstimmigkeit

Nicht umsonst bemühte sich Österreichs Regierung, seine Temelín-Benes-Transit-Vetodrohungen gegen die EU-Erweiterung damit zu begründen, dass das Temelín-Benes-Transit-Problem gerade durch die Erweiterung verschärft würde. Auch im Zinssteuerstreit relativierte Finanzminister Grasser den Konnex zum Transit, den er zwischendurch hergestellt hatte, rasch. Der Milchquoten-Kuhhandel belegt allerdings wie kein zweiter Fall, wie stark das Prinzip der Einstimmigkeit rationale Fortschritte in der EU behindert - nicht nur in der Steuerpolitik. Jeder Bereich, in dem der Reformkonvent die Abschaffung der Einstimmigkeit erreicht, wird also ein dynamischerer werden.

Dann würde nämlich statt der Vetokeule das Gewicht des Arguments wieder an Wert gewinnen: Es gilt, die EU-Partner von den eigenen Sorgen zu überzeugen. Das hilft - denn wirklich den anderen "überfahren", das will in Brüssel niemand. (DER STANDARD, Printausgabe 14.5.2003)