Wien - "Schüssel soll in den Monaten Juli-August an einem Hochofen arbeiten, bevor er über das Schicksal von schwerarbeitenden Menschen entscheidet", sagte VOEST-Betriebsrat Helmut Oberchristl am Dienstag bei der ÖGB-Demonstration am Heldenplatz. "Metallarbeiter müssen bis zu ihrem Tod schuften, weil sie das Pensionsalter nie erreichen", kritisierte Oberchristl die Pläne der Regierung zur Anhebung des Pensionsalters. Trotz des strömenden Regens waren weit mehr als hunderttausend Demonstranten auf den Wiener Heldenplatz gekommen, um ihrem Ärger über die Regierungspläne zu Pension und Selbstbehalten ihren Ausdruck zu verleihen.

Verzetnitsch: "So nicht, Herr Bundeskanzler"

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hat bei der Demonstration am Dienstagabend erneut Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) kritisiert. Dieser wolle nicht auf den so genannten "Druck der Straße" reagieren, meinte Verzetnitsch, "Wer ist denn diese Straße? Das ist dieser Platz. Das sind mehr als 100.000 Menschen mit Gesichtern. Diese Menschen haben auch eine Stimme und diese Stimme sagt klar und deutlich: So nicht, Herr Bundeskanzler."

"Nehmen Sie diese kraftvolle Demonstration, die Wind, Wetter und Hagel getrotzt hat, als ein deutliches Zeichen. Regieren Sie mit dem Volk und nicht gegen das Volk", rief Verzetnitsch dem Bundeskanzler unter dem Jubel der Demonstranten zu. Die Nationalratsabgeordneten forderte Verzetnitsch auf, gegen den "Pensionsraub" zu stimmen. Man werde die Menschen über das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten informieren, kündigte der ÖGB-Präsident an.

Betriebsseelsorger kritisiert ÖVP

Für seine "schlechten Beziehungen zu Petrus" entschuldigte sich Hans Gruber, Betriebsseelsorger der VOEST. Wesentlich schlimmer als das schlechte Wetter sei aber die Tatsache, dass eine Partei, die sich "christlich-sozial" nenne, mit ihren sogenannten Reformplänen tausende Menschen in die Armut treibe: "Sie verunglimpfen das Christentum und treiben die Menschen in die Hände der Caritas", so Gruber in Richtung ÖVP. Der Regierung sei Kriegsgerät wichtiger als Wohlstand und Gesundheit der Bürger.

Neugebauer: Lieber einmal nass werden, als dauernd im Regen stehen

Auch die christlichen Gewerkschafter waren beim heutigen ÖGB-Protest voll mit dabei. Ihr vorsitzender, der Chef der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), Fritz Neugebauer, wandte sich bei der Schlusskundgebung am Heldenplatz gegen einen Beschluss der Pensionsreform in der derzeitigen Form: "Hier muss es Qualität vor Tempo geben." Das Pensionssystem dürfe nicht zum Spielball der Versicherungswirtschaft werden. Neugebauer glaubt, dass das Signal der heutigen Großdemonstration die Bundesregierung beeindrucken muss.

Neugebauer äußerte sich hoch erfreut darüber, dass so viele Menschen an der heutigen Kundgebung teilgenommen haben: "Ich freue mich über den Eindruck, dass die Gewerkschaft dieses Machtzentrum (gemeint ist das Regierungsviertel, Anm.) heute besetzt hat." Auch von den Unwettern ließ sich der oberste Beamtengewerkschafter nicht irritieren: "Lieber einmal nass werden, als dauernd im Regen stehen."