Brüssel - Eine in Brüssel eingereichte Klage irakischer Kriegsopfer gegen US-General Tommy Franks hat Belgiens Beziehungen zu den USA am Mittwoch erneut belastet. Hohe Vertreter der USA stellten indirekt den NATO-Standort auf belgischem Staatsgebiet in Frage. Die 17 irakischen Kläger beschuldigen General Franks, als Oberbefehlshaber der US-Truppen im Irak-Feldzug für Kriegsverbrechen verantwortlich zu sein. Auch einige andere US-Offiziere werden nach Angaben des flämischen Rundfunks vom Mittwoch in der Klageschrift mit diesem Vorwurf belegt.

Belgische Generalprokuratur muss über Zulässigkeit der Klage entscheiden

Belgien hat 1993 ein Gesetz zur weltweiten Verfolgung von Kriegsverbrechen erlassen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Verdächtigten. 1999 wurde das Gesetz ergänzt um die Tatbestände Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die bei einem Brüsseler Gericht hinterlegte Anklageschrift stütze sich auf die universelle Zuständigkeit der belgischen Justiz für Kriegsverbrechen, sagte am Mittwoch der Anwalt der 19 Kläger, Jan Fermon. Da die Vorwürfe keine Verbindung mit Belgien haben, muss der belgische Generalprokurator zunächst über die Zulässigkeit der Klage entscheiden. Selbst wenn er diese für gegeben hält, kann die belgische Regierung die Klage laut dem geänderten Völkermord-Gesetz an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag oder an die US-Justiz weiterreichen.

General Franks sei für den militärischen Einsatz verantwortlich gewesen, bei dem etwa Streubomben gegen zivile Ziele eingesetzt worden seien, was ein Kriegsverbrechen darstelle, betonte der Jurist. Das bereits am Vortag angekündigte Verfahren richte sich auch gegen US-Oberstleutnant Brian MacCoy von den Marines, der Krankenwagen als "legitime Ziele" erklärt habe, weil diese "versteckte Kämpfer" bergen könnten.

17 Iraker und zwei Jordanier klagen

Zu den 17 klagenden irakischen Staatsangehörigen und zwei Jordaniern gehört auch Dima Tahbub, Witwe des bei einem US-Bombardement am 8. April getöteten jordanischen Korrespondenten des TV-Nachrichtensenders "Al Jazeera". US-Generalstabschef General Richard Myers bezeichnete am Dienstag im Brüsseler NATO-Hauptquartier die Klage als "sehr ernste" Angelegenheit, die "enormen Enfluss" auf die Beziehungen der USA zu Belgien haben würde. Nun seien die Diplomaten gefragt, die genauen Konsequenzen zu prüfen.

Derzeit sind auf Grund des Gesetzes in Belgien Verfahren gegen rund 30 amtierende oder frühere ausländische Funktionsträger anhängig, unter ihnen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon, den palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat, Ex-US-Präsident George Bush und US-Außenminister Colin Powell. Im vergangenen Monat hatte das belgische Parlament allerdings die Rechte der Justiz eingeschränkt; Verfahren gegen Ausländer können nun an die jeweiligen Heimatländer verwiesen werden.

Ex-US-Politiker rufen zur Beilegung des transatlantischen Streits auf

18 ehemalige US-Minister und Politiker haben an die Regierungen in Washington und Europa appelliert, ihre Streitigkeiten beizulegen. "Was für Gründe es auch immer für Verärgerung auf beiden Seiten des Atlantiks geben mag, keine Verstimmung darf unsere Beziehungen zu unseren europäischen Verbündeten sprengen", hieß es in dem Aufruf, der am Mittwoch in Washington veröffentlicht wurde.

Zu den Unterzeichnern gehören die ehemaligen Außenminister Madeleine Albright, Warren Christopher und Alexander Haig, die ehemaligen Verteidigungsminister Harold Brown, Frank Carlucci und William Cohen sowie der ehemalige nationale Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski. (APA/dpa)