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Der brandenburgisch-preußische Wappenadler ist eines der Objekte, die im Bernsteinzimmer im Katharinen-Palast der russischen Zaren bei St. Petersburg zu sehen ist.
St. Petersburg - Lagert es in Königsberg oder in unterirdischen Nazi-Labyrinthen, blieb es durch KGB-Taktik in Russland oder gelangte es doch nach Deutschland? Keine der Theorien über das Schicksal des legendären Bernsteinzimmers hat sich erhärtet. Geheimnisvolle Tode von Schatzjägern wurden vermeldet, und weiterhin bleibt das zum Mythos gewordene Werk ein Objekt der Begierde für Kunstdetektive.
Gerühmt als "Achtes Weltwunder", verliert sich seine Spur 1945 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad. In 27 Kisten hatten es nazideutsche Kunstschutzoffiziere dorthin verfrachtet, nachdem sie es 1941 im Katharinenschloss in Zarskoje Selo bei Leningrad geraubt hatten.
Als Friedensgeschenk des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. an Peter den Großen nahm es 1716 den entgegengesetzten Weg in die kurz zuvor errichtete Stadt Petersburg. Peters Tochter Elisabeth ließ es 30 Jahre später vergrößern. Ganze drei Wände in einem 100 Quadratmeter großen Saal zierte der Bernstein, neidisch bewundert von Resteuropa.
Das vor 50 Millionen Jahren zu Stein geronnene Kieferharz wanderte bereits vor Christi Geburt als "baltisches Gold" zu den Römern. Aber ein Großkunstwerk hatte daraus noch niemand geschaffen, geschweige denn ein Zimmer damit zu einem farbenreichen Lichtspiel ausgekleidet.
Der gängigsten Theorie zufolge ist der Großteil des Zimmers 1945 in Königsberg verbrannt, zumindest aber unauffindbar verschollen. In der Sowjetunion beschloss man daher bereits 1979, den Kulturschatz anhand zufällig gefundener Fotos und schon zuvor herausgefallener Bruchstücke originalgetreu nachzubauen.
In einem Megaprojekt haben Dutzende Bernsteinschnitzer in Zarskoje Selo aus sechs Tonnen baltischen Fossilharzes 500.000 Bernsteinplättchen geschnitten und sie zur detailgenauen Wandtäfelungskopie komponiert. Acht Millionen Dollar kostete das Unterfangen.
"Das Bernsteinzimmer war bisher Symbol einer dunklen Zeit", sagt Russlands Kulturminister Michail Schwydkoj: "Seit heute aber ist es ein helles Symbol der guten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland."
Aus einem Freundschaftsgeschenk ist ein Sinnbild der Feindschaftsüberwindung geworden. Dazu beigetragen hat nicht nur, dass Deutschland vor drei Jahren eine plötzlich in Deutschland entdeckte Kommode und ein florentinisches Originalmosaik an Russland zurückgab. 1999 hat die deutsche Ruhrgas AG in Essen 3,5 Millionen Dollar lockergemacht, um die Fertigstellung der Neuschöpfung bis zum 300-Jahr-Jubiläum der Stadt Petersburg zu sichern. Am 31. Mai werden Wladimir Putin und Gerhard Schröder zum Abschluss der Geburtstagsfeierlichkeiten in St. Petersburg das neue Bernsteinzimmer präsentieren. (Eduard Steiner / DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2003)