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Ist der Markt für die Austro-Stromlösung nur Österreich oder muss auch eine grenzüberschreitende Perspektive mit einbezogen werden?

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Brüssel - Wettbewerbspolitik gegen Industriepolitik: Bei der Entscheidungsfindung über die österreichische Stromlösung (intern Ösl genannt) stehen sich in der EU-Kommission Wettbewerbskommissar Mario Monti und Energiekommissarin Loyola de Palacio gegenüber.

In den Abteilungen der beiden gibt es abweichende Auffassungen über die Definition des "relevanten Marktes", auf dem die Ösl tätig ist. Im Kern geht es darum: Ist der Markt für die Austro-Stromlösung nur Österreich oder muss auch eine grenzüberschreitende Perspektive mit einbezogen werden?

Weltanschauung

Weil es dabei in Wirklichkeit um divergierende Politikkonzepte geht, wird erst die Koordinationssitzung der Kabinettschefs von Monti und de Palacio die Entscheidung bringen. Das Kollegium der 20 EU-Kommissare soll sein Urteil dann am 3. Juni fällen.

"Interconnections"

Im Hause von Kommissarin de Palacio (zuständig für Energie und Verkehr) wird argumentiert, dass mit der bis zum Jahre 2007 voranschreitenden Öffnung der Strommärkte in der EU - bei der die Kommissarin federführend ist - Österreich nicht mehr als abgeschlossener Markt betrachtet werden dürfe. Zumindest Deutschland und die Schweiz müssten hinzugerechnet werden: Mit diesen Ländern bestehen nämlich jetzt schon viele "Interconnections", also Verbindungspunkte, an denen elektrischer Strom auch tatsächlich die Grenzen passieren kann.

Diese Verbindungen zwischen den nationalen Netzen ermöglichen den Wettbewerbern den Zugang, aber nur solange die Interconnections nicht unter der Kontrolle des untersuchten Unternehmens stehen. Beim bis dato letzten großen Stromfall - der Fusion der deutschen Energieriesen Veba und Viag zu E.ON - hatte Monti unter anderem mit diesem Argument bewirkt, dass allein der nationale deutsche Markt betrachtet wurde. Zudem sieht man im Hause Montis die Zukunftsperspektiven der Liberalisierung nüchterner: Die Beamten der Wettbewerbsbehörde gehen eher vom "Ist-Zustand" aus.

"Bisher haben sich Konflikte innerhalb der Kommission fast immer zugunsten Österreichs ausgewirkt", kommentiert ein Brüsseler Diplomat das Tauziehen zwischen den beiden Generaldirektionen. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 15.5.2003)