Der Druck auf Algerien war zuletzt groß: Erst am Montag redete Deutschlands Außenminister Joschka Fischer stundenlang auf die Mächtigen in Algier ein. Präsident Abdelaziz Bouteflika und seine Regierung müssten endlich Ernst machen mit der Suche nach den entführten Sahara-Touristen. Tatsächlich schien nach Fischers Besuch die verfahrene Situation etwas in Bewegung zu geraten. - Dass es dann allerdings so schnell gehen würde, überraschte doch.

Schon vor Wochen waren konkrete Spuren aufgetaucht, gab es Gerüchte darüber, dass die algerische Armee über den Aufenthaltsort der Entführten Bescheid wisse. Allein: Die Entscheidung über einen Zugriff hing offenbar mehr mit algerischer Innenpolitik zusammen als mit Schwierigkeiten in der Fahndung nach Kidnappern und Gekidnappten.

In Algerien stehen Wahlen an

In Algerien stehen Wahlen an. Bouteflika möchte im Amt bleiben und braucht nicht zuletzt das Wohlwollen der Armee. Für Auseinandersetzungen sorgt allerdings der Fortgang des jahrelangen blutigen Kampfes gegen den Islamismus: Der Präsident hat die militanten Muslime für besiegt erklärt, die Militärs zeigen mit der Geiselbefreiung nun das Gegenteil. Der Generalstab meldete sich am Mittwoch selbst zu Wort, um der Terrorgruppe GSPC die Verantwortung dafür zuzuweisen. Im Subtext bedeutet das: Die von Bouteflika versuchte vorsichtige Demokratisierung des Landes auf Kosten des Einflusses der Armee ist - offensichtlich - gefährlich.

Dass nun zumindest einige der Touristen heil aus dieser politischen Geiselhaft herausgekommen sind, ist ein Glück. Und in dieser Hinsicht ist es auch relativ, dass ein paar vorlaute Österreicher den Fall hinausposaunt und damit möglicherweise noch Menschenleben in Gefahr gebracht haben. Denn für angemessene Publizität sorgen diesfalls - und ohne Rücksicht auf Verluste - schon die Algerier selber. (Christoph Prantner, DRER STANDARD Printausgabe 15.5.2003)