Frankfurt/Zürich/Hamburg/Wien - Mehrere deutschsprachigen
Zeitungen zeigen sich am Donnerstag skeptisch über die Rolle des
algerischen Militärs bei der Befreiung von 17 Geiseln - zehn
Österreichern, sechs Deutschen und einem Schweden - in Süd-Algerien:
"Frankfurter Allgemeine Zeitung":
"Mit Terroristen macht man in Algerien keine Kompromisse. Die
blutige Befreiungsaktion der ersten der 32 entführten europäischen
Touristen durch das algerische Militär hat gezeigt, daß es von seiner
harten Linie nicht abweicht - trotz der Appelle führender Politiker,
das Geiseldrama gewaltlos zu beenden. (...) Mit der Befreiungsaktion
in der Nacht zum Mittwoch hat die (algerische) Armee auch ein Jahr
vor der nächsten Präsidentenwahl deutlich gemacht, daß es ohne sie
nicht geht - ausgestattet mit den von den Generälen gewünschten neuen
Waffen. Ihren Anti-Terror-Kampf führt die Armee mit großer
Brutalität, worin sie den militanten Islamisten nicht nachsteht. Das
läßt Schlimmes für die Europäer befürchten, die am Mittwoch abend
noch in der Gewalt ihrer Entführer von einer angeblich anderen
Terroristengruppe waren. Man sei in großer Sorge, sagte nicht ohne
Grund ein Regierungssprecher in Berlin."
"Frankfurter Rundschau":
"Mehr als die Hälfte der verschleppten Sahara-Touristen ist am
Leben, ist frei, ist in Sicherheit. Das Leben der noch nicht
Befreiten erscheint aber gefährdeter denn je. Beim Sturmangriff der
algerischen Armee auf das Versteck der Entführer sollen neun
Geiselnehmer getötet worden sein. Ihre Komplizen, die an einem
anderen Ort die restlichen Geiseln bewachen, wissen nun, was sie
erwartet. Sie wissen vor allem, dass sie nichts zu verlieren haben.
Mit ihren Angaben über Täter und Hintermänner hat Algeriens Armee
aber nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch Fragen aufgeworfen.
Die Militärs machen die dem Al-Qaeda-Netzwerk verbundenen Terroristen
der Salafistengruppe für die Tat verantwortlich. Das klingt nach
islamistischer Verblendung, nährt den Verdacht, die Geiselnehmer
hätten in Deutschland inhaftierte Gesinnungsgenossen freipressen
wollen. Doch die Schuldzuweisung ist in sich nicht stimmig. Sie
bedarf zumindest der Erläuterung. Sicherlich gibt es eine mit den
Terroristen in Kontakt stehende Gruppe, die den Südosten Algeriens
verunsichert. Deren Anführer gilt aber als Bandit (...). Aufklärung
tut also Not. Die Armee sollte sie im eigenen Interesse liefern. Nur
so kann sie den Argwohn entkräften, sie habe sich mit dem Verweis auf
Touristen verschleppende Al-Qaeda-Terroristen nur zusätzliche
finanzielle Hilfe sichern wollen, nicht zuletzt aus dem Ausland."
"Die Welt" (Hamburg, konservativ):
"Zur Erleichterung war gestern Grund: Sechs der in Algerien
verschleppten deutschen Touristen kamen frei. Zusammen mit elf
Geiseln aus anderen europäischen Ländern ging für sie eine
monatelange Entführung zu Ende. Zur Freude aber war kein Grund, weil
das Schicksal der 15 anderen Geiseln, darunter zehn Deutsche, offen
und die Umstände der Befreiung unklar blieben. Auch wuchs die Sorge,
dass hier deutsche Touristen zum zweiten Mal, nach Djerba, zu Opfern
von Islamisten geworden sind. Der Verdacht richtet sich gegen eine
Salafisten-Gruppe mit Verbindungen zur Al Qaida.
Das aber schafft in zumindest einem Punkt Klarheit: Niemand kann mehr
sagen, die Touristen seien selbst schuld, seien bloß Opfer ihrer
Abenteuerlust geworden. Wen international vernetzte Terroristen
angreifen, der muss sich nicht sagen lassen: Wer sich in Gefahr
begibt, kommt darin um. Sollten tatsächlich Terroristen dahinter
stecken, so ist dieses Verbrechen keine gewalttätige Reaktion auf
überzogenen Tourismus, sondern einzig eine weitere Attacke im irren
Krieg gegen den Westen."
"Neue Zürcher Zeitung":
"Angesichts der weit verbreiteten Zweifel an der Lauterkeit und
der Effizienz der algerischen Generäle überrascht es nicht, dass
diese nun bestrebt sind, die Aktion zur Befreiung europäischer
Touristen als vollen Erfolg herauszustreichen. Das algerische Regime
ist seit längerem bemüht, sich als zuverlässiger Hüter der
Zivilisation und als Bollwerk gegen die islamistische Gefahr
darzustellen - nicht zuletzt, um kritischen Fragen nach seiner
Einstellung zu den Menschenrechten ausweichen zu können.
Es wäre leichter, Algier für die Befreiung der Verschleppten zu
danken und in den Chor der Gratulanten einzustimmen, wenn es keine
Hinweise auf Querverbindungen zwischen den Geheimdiensten und den
Terroristen gäbe und keinerlei Grund bestünde, von einem 'schmutzigen
Krieg' in Algerien zu sprechen, bei dem sich die Sicherheitskräfte
immer wieder gröbster Menschenrechtsvergehen schuldig machen. (...)
Die Entführung von Touristen im Süden des Landes zeigt, dass die
Wüste keine natürliche Barriere gegen Gewalttaten von Terroristen
ist. Die Sicherheitskräfte dürften gezwungen sein, zusätzliche
Massnahmen zum Schutz der in der Sahara gelegenen Öl- und
Erdgasindustrie zu ergreifen." (APA)