Foto: Vengeance
THE CRAMPS Fiends Of Dope Island ( Vengeance/ Rave Up: (1) 596 96 50 ) Lux Interior und Poison Ivy, das ältestdienende Liebespaar im Rock'n'Roll, hat sich nach einem Vierteljahrhundert Wahnsinn im Viervierteltakt, exzessiven Liveshows, einem Nobelpreis in Rockabilly und Monsterrock und Albumklassikern wie Smell Of Female oder A Date With Elvis nach einer längeren, möglicherweise länger als ein Jahrzehnt dauernden Phase des kreativen Stillstands wieder einmal zusammengerauft und eine gute Platte gemacht. Das mag unter anderem daran liegen, dass sich der 55-jährige Lux Interior endlich vom lächerlich gewordenen Drang zum Crossdressing befreit hat und auch textlich statt Sexshop, Latexhose mit Speisegurkenfüllung und Stöckelschuhen wieder auf seine Anfänge setzt: primitivistischer Rock, geleitet von der Schneidbrennergitarre der noch immer mächtig böse dreinschauenden Poison Ivy, textlich im Zeichen billiger Horrorfilme und abscheulicher, gar schröcklicher Kreaturen stehend. Songtitel: Mojo Man From Mars , Big Black Witchcraft Rock , Papa Satan Sang Louie . Blöd und gut wie früher: Oowee Baby! WIRE Send ( Pink Flag/Rave Up: (1) 596 96 50 ) Die britische Art-Punk-Legende begeisterte zuletzt live im Wiener Flex wie auf zwei teilweise nur im Internet erhältlichen Minialben ( Read & Burn 1 & 2 ) nach einem Jahrzehnt Pause und mehr oder weniger geglückten Ausflügen der einzelnen Mitglieder Richtung Dancefloor oder experimentelle Elektronik in Originalbesetzung mit hochenergetischen, zornigen und musikalisch radikalen Neudeutungen einer bis heute unerbittlichen Verweigerungshaltung. Teile von Read & Burn sowie einige neue Titel wurden nun für Send zusammengefasst, dem ersten Wire-Album seit dem damaligen Fanal und Debakel The First Letter aus 1991. In einer Welt, in der käsegesichtige und geldgierige Mittelklasse-Kids wie Good Charlotte definieren, was Punk 2003 ausmacht, muss man eines sagen: Bitte, junge Menschen, hört einmal auf die Alten! Wire zeigen euch, wo es langgeht. Punk ist kein nach dem Regelbuch zu spielender Stil. Punk ist eine Lebenseinstellung. Das Beste und Überzeugendste, Härteste, Knappste und Präziseste an Musik, das man zur Zeit kriegen kann! LUCINDA WILLIAMS World Without Tears ( Universal ) Mit diesen 13 Songs ist der Königin des US-Alternative-Country ein Meisterwerk der Niedergeschlagenheit gelungen, wie man es in diesem nicht gerade für seine uneingeschränkte Lebensfreude bekannten Genre voller ins Bier weinender Pfundstypen lange suchen muss. Allerdings setzt die 50-Jährige gemeinsam mit Produzent Mark Howard, der gerade auch als Produzent des großen Songwriters Vic Chesnutt begeisterte, dabei weniger auf die enggesteckten Genregrenzen, sondern erweitert ihre Songs auch in Richtung Rock oder Cocktail Lounge. Statt eines Saxophons wimmert dann aber trotzdem eine Steel Guitar. LISA GERMANO Lullaby For Liquid Pig ( Musica ) Die US-Songwriterin mit dem Hang zu ebenso zart wie düster gewebten Songs stellt spätestens seit Geek The Girl aus 1994 das unhysterische Gegenstück zu Tori Amos dar. Dieses Mal setzt sich Germano zu karger, sperriger Instrumentierung mit dem Thema der Sucht auseinander. Bedrohlich, reflexiv, herbstlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2003)