Daressalam - Nach tagelangen schweren Kämpfen im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo haben die verfeindeten Volksgruppen einen Waffenstillstand vereinbart. Unter Vermittlung des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila unterzeichneten die Chefs der fünf bewaffneten Milizen in der Provinz Ituri am Freitag in der tansanischen Hauptstadt Daressalam ein entsprechendes Abkommen. Die Waffenruhe sollte um 23.00 Uhr (MESZ) in Kraft treten und sieht unter anderem die Entmilitarisierung der umkämpften Provinzhauptstadt Bunia vor.

Die Waffenstillstandsvereinbarung ist das Ergebnis zweitägiger Verhandlungen zwischen Kabila und den Konfliktparteien. Zu den Unterzeichnern zählen Thomas Lubanga, ein Führer der Volksgruppe der Hema, die die Stadt Bunia kontrollieren, und Justin Gopa Lobo, Kommandeur der Volksgruppe der Lendu, die um die Rückeroberung Bunias gekämpft hatte.

UNO-Sicherheitsrat für Kongo-Eingreiftruppe

Angesichts der blutigen Kämpfe und der massenweisen Tötung von Zivilisten im Nordosten Kongos durch verfeindete Milizen befürwortet der Weltschicherheitsrat die Aufstellung einer internationalen Eingreiftruppe. Jedoch konnte sich das höchste Entscheidungsgremium der UNO bis zum Freitag nicht auf eine Resolution über die umgehende Entsendung von UN-Truppen verständigen, sondern nur auf eine - nicht verbindliche - Erklärung.

Bisher hat sich nur Frankreich zur Bereitstellung von Soldaten für ein rasches Eingreifen im Kongo bereit erklärt. Paris macht dies aber davon abhängig, dass andere Länder mitziehen. Im Entwurf einer Erklärung des Sicherheitsrats-Präsidenten wird UN-Generalsekretär Kofi Annan "ermutigt", die Konsultationen für die Aufstellung einer Eingreiftruppe fortzusetzen. Zugleich werden in der Erklärung, die im Laufe des Freitags verabschiedet werden sollte, die "jüngsten Morde, die Gewalt und andere Menschenrechtsverletzungen und Greueltaten" in der Stadt Bunia und anderen Teilen der Region Ituri im Nordosten Kongos verurteilt. Für derartige Taten werde es "keine Straffreiheit" geben.

Gesellschaft für bedrohte Völker wirft UNO unzureichende Vorbereitung vor

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Freitag den Vereinten Nationen vorgeworfen, beim Schutz der Zivilbevölkerung im Osten des Kongo zu versagen. "Die Vereinten Nationen haben aus dem Desaster in Srebrenica und dem Völkermord in Ruanda nichts gelernt", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius laut einer Aussendung. Die Vereinten Nationen gingen "sehenden Auges" im Osten des Kongo in eine neue Katastrophe.

Der Weltsicherheitsrat habe der UNO-Beobachtertruppe MONUC im Kongo ein deutliches Mandat erteilt, "Zivilisten zu schützen, die unmittelbar von physischer Gewalt bedroht sind". Die 625 uruguayischen Soldaten, die für ihren schwierigen Einsatz in der Stadt Bunia im Osten des Kongo unzureichend vorbereitet wurden, seien jedoch vollkommen überfordert, wenn sie nun mehreren zehntausend Zivilisten Schutz bieten sollten, so die Menschenrechtsorganisation.

Nach Einschätzung der Deutschen Welthungerhilfe (DWH) muss das Engagement der UN-Truppen sofort verstärkt werden, "um einen drohenden Völkermord" zu verhindern. "In der vergangenen Nacht haben Milizen die Kranken im Hospital von Bunia einfach abgeschlachtet", berichtete Markus Sack, DWH-Projektleiter in der Provinz Ituri. Nach Augenzeugenberichten seien bereits zwischen 40.000 und 60.000 Menschen in Richtung Uganda geflohen, weitere 15.000 bis 20.000 in Richtung der rund 160 Kilometer südlich gelegenen Stadt Beni, teilte die Welthungerhilfe mit.

Alter Konflikt um Land

Auslöser der Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen der Hema und der Lendu war Anfang Mai der Abzug der letzten ugandischen Truppen aus der Region, die zuvor auf Seiten der Regierung im Bürgerkrieg des Landes interveniert hatten.

Die Hema, traditionelle Viehzüchter, und die überwiegend aus Ackerbauern bestehenden Lendu streiten seit Jahrhunderten um das Land im Nordosten Kongos. Zusätzlich angeheizt wurde der Konflikt durch die Entdeckung von Goldvorkommen in der Umgebung von Bunia.

Zwei Rot-Kreuz-Helfer getötet

Zwei freiwillige Helfer des Roten Kreuzes sind bei Kämpfen in der nordost-kongolesischen Stadt Bunia ums Leben gekommen. Der Vorfall habe sich bereits am 11. Mai ereignet, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Freitag in Genf mit. Sie seien durch ihre Kennzeichnung auf dem Rücken eindeutig als Mitglieder der Hilfsorganisation erkennbar gewesen.

Bereits im April 2001 waren sechs Mitarbeiter des IKRK in dieser Region ermordet worden. APA/AP)