Im Prinzip sind alle dafür: Bei der Pensionsreform sollen die Systeme der Alterssicherung angeglichen werden - Beamte und Angestellte, Arbeiter und Bauern würden dann gleich behandelt. Aber das ist alles andere als einfach.
Es war im April 1988, die Republik diskutierte gerade eine Pensionsreform, als der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider einen radikalen Schnitt forderte: Die Beiträge und Leistungen der Sozialversicherung sollten vereinheitlicht werden. Und zwar besonders beim Pensionsrecht, wo zwar immer wieder von "wohlerworbenen Rechten" gesprochen werde, die Ungleichheiten aber tatsächlich "wohlerworbene Unrechte" seien.
Demagogisch seien diese Äußerungen, hieß es damals. Und die Vorschläge undurchführbar, weil doch jede Berufsgruppe ihre eigenen Bedürfnisse habe.
15 Jahre später gibt es niemanden mehr, der die Harmonisierung als Prinzip infrage stellen würde - allerdings meinen die Beteiligten nicht immer dasselbe, wenn sie dieselben Begriffe verwenden, erklärt etwa der Generaldirektor der bäuerlichen Sozialversicherung, Franz Ledermüller, dem Standard: "Über die vorgesehenen ,beitragsorientierten Pensionskonten mit einer leistungsorientierten Komponente‘ gibt es ja nicht einmal ansatzweise Einigung - da stellen sich Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaft etwas ganz anderes darunter vor. Die Vorstellung, dass die Sozialpartner da dasselbe wollen, ist eine Illusion."
Detailprobleme
Und auch die Bauern, die im Bauernbundpräsidium am Dienstag einstimmig für eine Harmonisierung der Pensionssysteme eingetreten sind, haben noch eine Menge Detailprobleme: Bisher wird die Beitragsgrundlage aus dem pauschalierten Einheitswert des Betriebes abgeleitet - und von dieser Beitragsgrundlage müssen die Bauern 14,5 Prozent Pensionsbeitrag leisten.
Das ist etwas weniger, als Gewerbetreibenden (die 15 Prozent ihres Gewinns einzahlen), aber deutlich mehr, als Beamten (12,55 Prozent) oder gewöhnlichen Arbeitnehmern (10,15 Prozent) abgeknöpft wird.
Wobei bei den Arbeitnehmern die Dienstgeber (als Teil der Lohnnebenkosten) noch einmal 12,55 Prozent dazuzahlen müssen, während sich der Dienstgeber Staat bei seinen Beamten diese Zahlung erspart (sondern im Gegenteil bei den Pensionisten einen "Pensionssicherungsbeitrag" von 2,3 Prozent kassiert) - und es bei Bauern und Gewerbetreibenden überhaupt nichts Vergleichbares gibt.
ASVG überforderte Unternehmer
Ledermüller betont daher, dass - entgegen der landläufigen Meinung - eine Harmonisierung der Pensionssysteme nicht einfach darin bestehen könnte, alle Österreicher ins ASVG-System zu überführen.
Der Grazer Sozialrechtsprofessor Franz Marhold stößt ins selbe Horn und nimmt die gewerbliche Wirtschaft als Beispiel: Wollte man für Unternehmer das ASVG anwenden, müsste ein Unternehmer rund 23 Prozent seines Gewinns allein als Pensionsbeitrag abführen, "was kleine Selbstständige sicher überfordert".
Allerdings hält es Marhold für wahrscheinlich, dass man bei einer Harmonisierung den Pensionsbeitrag für Unternehmer "schon etwas erhöhen" müsste. Ähnlich wie man bei Bauern die Beitragsgrundlage neu gestalten müsse - auch Ledermüller zweifelt, dass die pauschalierte Ermittlung der Beitragsgrundlage künftig noch funktionieren wird. An den Details spießt es sich aber auch hier.
Und erst recht bei den Beamten, die ihr Bekenntnis zur Harmonisierung des Pensionsrechts bereits 2001 beschlossen haben. Allerdings unter der Bedingung, dass es keine Schlechterstellung geben darf. Tatsächlich unterscheidet sich das Besoldungs- und Pensionsrecht der Beamten massiv von dem anderer Arbeitnehmer: Beamte bekommen keine Abfertigung - ein Aufbau einer zweiten Säule der Pensionssicherung hat bisher nur für Vertragsbedienstete gegriffen. Andererseits ist das gleiche Pensionsalter für Männer und Frauen bei Beamten seit 1965 festgeschrieben - im ASVG gilt der Unterschied aber bis 2033.
Problem Verfassungsmehrheit
Marhold weist darauf hin, dass dies das gravierendste Problem der Pensionsharmonisierung werden könnte: Eine Verfassungsmehrheit für eine sofortige Angleichung des Pensionsantrittsalters von Männern und Frauen dürfte es mit der SPÖ nicht geben - andererseits passt eine Senkung des Pensionsalters für Frauen nicht ins System. Und schon gar nicht ins EU-Recht, das eine Angleichung der Pensionsalter verlangt.
Auch das Faktum, dass Beamte bisher viel höhere Beiträge (und das ohne Höchstbeitragsgrundlage) gezahlt haben, dürfte noch Probleme schaffen: "Eine Harmonisierung müsste dazu führen, dass die Beiträge für Beamte gesenkt werden - und wenn sie diese Nettolohnerhöhung in Eigenvorsorge stecken, könnten sie durchaus die Pensionshöhe halten. Auch die bereits über dem ASVG-Niveau geleisteten Beiträge müssten ehrlicherweise zurückgezahlt werden oder zumindest zu einer Höherversicherung führen", sagt Marhold.
Im Übrigen sei er aber (wie alle anderen) für eine Harmonisierung: "Es fragt sich ja wirklich, warum man eine zünftische oder berufsständische Zuordnung der Alterssicherung aufrechterhalten sollte." (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2003)