Am Donnerstag hat Frankreichs Botschafter der US-Regierung einen Brief ausgehändigt, der ein historisches Novum darstellt. Paris protestiert darin scharf gegen Vorwürfe, die in den letzten Monaten in US-Zeitungen - und zwar der ersten publizistischen Liga - erschienen sind und die vor allem angebliche französische Waffenlieferungen an den Irak betreffen. Paris ortet darin einen von der US-Regierung wenigstens gebilligten Versuch, Frankreich in Misskredit zu bringen.

Die unerfreuliche Episode belegt erneut, wie gereizt die Atmosphäre zwischen Paris und Washington noch ist, während sich im deutsch-amerikanischen Verhältnis eine erste Entspannung abzeichnet. Zwar hat es nach dem Irakkrieg aus der US- Regierung ab und zu versöhnliche Töne gegeben, von transatlantischer Harmonie kann aber keine Rede sein. Schulmeisternde Vorwürfe oder symbolisch gehässige Strafaktionen ("freedom fries") haben zur Entstehung eines polit-psychologischen Biotops beigetragen, in dem dubiose Geschichten und Gerüchte gedeihen. Ganz nebenbei haben sie die ironische Wahrnehmungsverzerrung provoziert, dass Frankreich, dessen Außenpolitik selten durch übertriebenes Zartgefühl gekennzeichnet war, mit einem Mal als eine Art globaler Peacenik erscheint.

Es ist ein trauriges Feature dieser Auseinandersetzung, dass das ganze Gestichel und Gezündel keinen erkennbaren politischen Zielen mehr dient, sondern nur mehr der Abreaktion der Emotionen, die sich in der Irakkrise aufgestaut haben. Insofern ist der von Exaußenministerin Madeleine Albright mitgetragene Aufruf, die ramponierten Beziehungen zu reparieren, ein willkommenes Zeugnis politischer Vernunft. Die demokratischen und republikanischen Expolitiker, die ihn unterzeichnet haben, haben verstanden: Eine transatlantische Politik, die sich in wechselseitigen Bezichtigungen erschöpft, wäre die sichere Garantie dafür, dass es am Ende nur Verlierer gibt.(DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2003)