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Gerhard Wintersteller spricht über die Entführung

Foto: APA/ FRANZ NEUMAYR

Salzburg/Wien/Berlin - Backhenderl in Salzburg, Schnitzel mit Sauerkraut im deutschen Bad Staffelstein - einen Tag nach ihrer Rückkehr aus Algerien waren Donnerstag viele der 17 befreiten Sahara-Geiseln auch kulinarisch wieder daheim. Manche haben einiges aufzuholen: Entführungsopfer Ingo Bleckmann (60) aus Salzburg etwa hat 15 Kilogramm abgenommen, Ulrich Hanel (53) aus Deutschland ist um 18 Kilo abgemagert.

Erste Interviews

Von offizieller Seite wurden die zehn Österreicher, sechs Deutschen und ein Schwede, die alle erst Dienstagfrüh bei einer gewaltsamen Aktion durch das algerische Militär befreit worden waren, noch in Ruhe gelassen. Doch deutsche Privat-TV-Teams ließen nicht locker und sich wohl auch nicht lumpen und ergatterten so erste Interviews.

Gerhard Wintersteller (63), der Reiseführer der gekidnappten Salzburger Gruppe, sagte RTL, die Entführer hätten immer wieder das Lager gewechselt, bis die Geiseln am Rande der totalen Erschöpfung gewesen seien.

Kalaschnikow

Den Moment der Geiselnahme in der Sahara beschrieb Wintersteller so: "Es kam uns ein deutsches Geländeauto entgegen, ein Touristenauto, und wir blieben stehen, um etwaige Neuigkeiten auszutauschen." Doch dann seien sofort acht Terroristen herausgesprungen. "Sie hielten uns die Kalaschnikows vor die Nase und wir mussten uns sofort zu Boden werfen. Und sie rissen uns die Autoschlüssel aus den Händen." Danach seien sie mit den Geiselnehmern vier Tage bis zu einem wasserlosen Flusstal gefahren, wo sie vier oder fünf Tage versteckt gehalten worden seien.

Das Ganze habe sich mehrere Male wiederholt. "Dann wurden die Intervalle immer kürzer, sie spürten, dass ihnen das Militär auf den Fersen ist", sagte Wintersteller.

Lösegeldforderung

Zum Schluss sei die Gruppe jede Nacht auf der Flucht gewesen und habe Nachtmärsche bis 2 oder 3 Uhr morgens absolvieren müssen. "Unsere Schuhe waren zerfetzt, wir waren am Ende unserer physischen Kräfte, konnten einfach nicht mehr." Wintersteller bestätigte, dass es sich bei den Entführern um islamistische Terroristen handle, die die algerische Regierung stürzen und einen Gottesstaat einrichten wollten. "Sie wollten Lösegeld, um Waffen zu kaufen."

Über die Befreiungsaktion äußerte sich Wintersteller nicht, um die 15 noch in Geiselhaft befindlichen Touristen nicht zu gefährden (siehe Artikel links). Der Deutsche Ulrich Hanel sagte nur, er sei froh, dass er die Schießerei überlebt habe. Laut algerischen Medienberichten sind neun Entführer erschossen worden.

Die Strapazen der noch Gefangenen seien größer, befürchtet Wintersteller: "Weil sie von den Geiselnehmern offenbar seit Wochen immer in demselben Loch festgehalten werden."

Mehrere befreite Österreicher und deren Angehörige wollen kommenden Montag in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Salzburg von ihren Erlebnissen berichten. (Thomas Neuhold,Michael Simoner, Der Standard Printausgabe 16.5.2003)