Wien - Nach jahrelangem Streit um Formalfragen rund um Sammelklagen wird nun der Vorwurf der Fehlberatung durch den Finanzdienstleister AWD auch inhaltlich vor Gericht geprüft. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat gegen den Finanzdienstleister AWD fünf Sammelklagen angestrengt, die erste Teilklage wurde bereits im Juni 2009 eingebracht. Inhaltlich hat sich das zuständige Handelsgericht (HG) Wien mit den Anschuldigungen noch nicht auseinandersetzen können, hat doch der AWD diverse Rechtsmittel gegen die Zulässigkeit der Sammelklagen eingelegt.

"Erste Verhandlung noch vor dem Sommer"

Nun kommt Bewegung in die Causa: Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat einen AWD-Rekurs abgeschmettert. VKI-Chefjurist Peter Kolba rechnet damit, dass die erste Verhandlung in der Sammelklage I noch vor dem Sommer stattfindet.

Der AWD indes verweist darauf, kürzlich ein VKI-Musterverfahren vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) gewonnen zu haben. Konkret hat das OLG Wien einen AWD-Einwand gegen die bloß teilweise Offenlegung einer Urkunde zurückgewiesen, teilte der VKI am Dienstag mit. Der Entscheid ist laut Kolba rechtskräftig und betrifft eine von fünf Sammelklagen im Namen von rund 100 mutmaßlich geschädigten Anlegern.

Gesamtstreitwert 40 Millionen Euro

Insgesamt haben sich im Herbst 2008 rund 7.000 AWD-Kunden beim VKI beschwert, weil ihre Immofinanz- bzw. Immoeast-Aktien massiv an Wert verloren haben. 2.500 Anleger schlossen sich dann den Sammelklagen des Vereins an, der Gesamtstreitwert beträgt rund 40 Mio. Euro. Die Anschuldigung: AWD habe tausenden Kunden Immobilienaktien als sichere Anlage verkauft; im Zuge der Finanzkrise sind die Kurse dann allerdings abgesackt.

Seit damals hat es schon einige Gerichtstermine gegeben, allerdings wurden noch keine AWD-Berater oder -Kunden gehört. Es ging lediglich darum, ob Sammelklagen in Österreich überhaupt zulässig sind. Der AWD hat dies angezweifelt, jedoch nicht Recht bekommen - seit Herbst 2010 sind alle fünf Teilklagen rechtskräftig zugelassen.

Abtretungen angefochten

Der AWD wollte es dabei aber nicht bewenden lassen und bestreitet nun die Rechtswirksamkeit der Abtretungen der Schadenersatzansprüche an den VKI. Der Finanzdienstleister argumentiert laut VKI, die Vereinbarung einer Erfolgsquote für einen Prozessfinanzierer sei in Österreich verboten. In diesem Zusammenhang legte der VKI im Auftrag des Gerichts eine Vereinbarung zwischen VKI und dem Prozessfinanzierer Foris vor, berief sich aber darauf, dass diese Urkunde auch Geschäftsgeheimnisse enthalte und daher dem AWD nicht zur Gänze offengelegt werden dürfe.

Das Gericht schloss sich dem Standpunkt der Konsumentenschützer an und gewährte dem AWD nur in Teile der Urkunde Einblick. "Obwohl derartige (verfahrensleitende) Beschlüsse laut Gesetz unanfechtbar sind, erhob der AWD wiederum jedes Mal Rekurs", moniert der VKI. In Sammelklage I habe bereits der Erstrichter einen derartigen Einwand als unzulässig zurückgewiesen und sei nun durch das OLG Wien bestätigt worden. Bei den restlichen vier Sammelklagen stehe eine endgültige Entscheidung noch aus, sagte Kolba.

AWD sieht sich "in Einzelverfahren höchst erfolgreich"

"Die Verzögerungstaktik des AWD ist erneut gescheitert", konstatierte der VKI - und schoss erneut scharf gegen den Finanzberater: Der AWD schließe mit Klägern, die alleine vor Gericht gezogen sind, "Geheimvergleiche" - dies, um klagsstattgebende Urteile zu vermeiden. Der AWD sieht das freilich ganz anders: "Der VKI versucht heute abermals AWD für die Verzögerung von Gerichtsverfahren verantwortlich zu machen und suggeriert, AWD würde die inhaltliche Auseinandersetzung vor Gericht scheuen. Dabei verschweigt der VKI, dass AWD in Einzelverfahren höchst erfolgreich agiert."

Im Februar habe der OGH (6 Ob 8/11m) die Klage eines AWD-Kunden, der auch vom VKI unterstützt worden sei und sich in den Medien als Opfer dargestellt habe, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Dem Vernehmen nach handelt es sich dabei um jenen ehemaligen AUA-Piloten, der einen Teil seiner Abfertigung in Immopapiere investiert hat. Das Höchstgericht hat nun laut einer AWD-Mitteilung darauf hingewiesen, dass der Vorwurf der systematischen Fehlberatung ohne Relevanz für die Entscheidung im Einzelfall sei. Der Finanzberater sieht sich darin in seiner Ansicht, dass jeder Fall gesondert geprüft werden müsse, bestätigt - und spart seinerseits nicht mit Kritik am VKI: Seit mehr als zwei Jahren verweigere der Verein die "stets angebotene" Prüfung aller Einzelfälle und bestehe "stur auf einer Pauschallösung, bei der zuerst der Prozessfinanzierer Foris und die Anwälte verdienen." (APA)