In der Nacht auf Mittwoch ist im Mittelmeer ein Boot mit rund 200 Migranten an Bord 39 Seemeilen von der Insel Lampedusa entfernt in Seenot geraten und gekentert. Mindestens 150 Personen gelten als vermisst, berichteten italienische Medien am Mittwoch. 20 Leichen wurden bereits geborgen. Wegen der rauen See kippte das Boot um. Motorboote der italienischen Küstenwache, die zur Hilfe eilten, konnten 47 Menschen in Sicherheit bringen.

Das 13 Meter lange Boot war nach Angaben italienischer Medien von Zuwarah in Libyen abgefahren. An Bord befanden sich mehrheitlich Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia. Die Überlebenden wurden nach Lampedusa gebracht und dort behandelt. Zu ihnen zählt auch eine hochschwangere Frau. Die Überlebenden wurden unterkühlt und schwer geschockt von Helfern versorgt. Motorschiffe und Flugzeuge der italienischen Küstenwache setzten die Suche nach Überlebenden fort. "Wir haben noch Hoffnungen, einige Schiffsbrüchige lebend zu finden", sagte ein Sprecher der Küstenwache.

Laut der Internationalen Organisation für Migrationen haben Überlebende berichtet, dass sich sogar 350 Flüchtlinge an Bord des Schiffes befanden. "Dies bedeutet, dass die Zahl der Vermissten noch wesentlich höher ist", betonte ein Sprecher der Organisation. Viele Flüchtlinge seien ertrunken, weil sie nicht schwimmen konnten und Hilfe zu spät kam. Dabei sei es zu dramatischen Szenen gekommen.

Mehr als 22.000 Menschen seit Jänner

Inzwischen reißt die Flüchtlingsbewegungen nach Lampedusa nicht ab. In der Nacht auf Mittwoch trafen 354 Migranten auf Lampedusa ein, die mehrheitlich aus Tunesien, Eritrea, Ghana und Somalia stammen. Derzeit befinden sich noch 2000 Migranten auf der Insel, berichteten die Behörden. Seit dem Sturz von Tunesiens Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali im Jänner sind mehr als 22.000 Migranten mit Fischerbooten auf der 5000-Einwohner-Insel angekommen. Lampedusa liegt rund 130 Kilometer von Tunesiens Küste entfernt.

Italien hat inzwischen mit Tunesien ein Abkommen zur Rückführung der tunesischen Flüchtlinge geschlossen. Damit soll die Flüchtlingswelle nach Lampedusa gestoppt werden. Außerdem wurde über gemeinsame Patrouillierungsaktionen an den tunesischen Küsten beraten, die mit der logistischen Unterstützung der italienischen Küstenwache erfolgen sollen. Italien bot auch finanzielle Hilfe an, damit Tunesien seine Küsten wirksam kontrollieren könne.

Zugleich überprüft die Regierung Berlusconi Lösungen für die rund 22.000 Tunesier, die in den letzten Wochen in Italien eingetroffen sind. Diplomatisches Personal aus Tunesien soll in Italien mit den Auffanglagern zusammenarbeiten. Eine Zwangsrückführung schloss Innenminister Roberto Maroni aus. Die italienische Regierung will den Migranten eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung gewähren. Damit sollen Tunesier, die sich Angehörigen in anderen EU-Ländern anschließen wollen, im Rahmen des Schengen-Raums weiterreisen können. Ein dementsprechendes Dekret soll von der Regierung Berlusconi noch am heutigen Mittwoch verabschiedet werden. (APA)