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Zemlin: "Microsoft war einst unser größter Rivale, aber heute ist es ein Bisschen so, als würde man einen Welpen treten"

Foto: AP Photo/Charlie Riedel

Zwei Jahrzehnte nachdem Linus Torvalds den Systemkern des Open-Source-Betriebssystems fertigstellte, ist die lange Schlacht zwischen Linux und Microsoft zu Ende - und Linux hat gewonnen, erklärt Linux Foundation Executive Director Jim Zemlin im Interview mit Network World.  

Was als Hobby- und Studentenprojekt begann, ist laut Zemlin heute zur "dominierenden Plattform" in der IT herangewachsen. Die Ausnahme stellten lediglich Desktop-Computer. Bei Servern, so genannten "embedded systems" für Industriemaschinen bis zu Navigationsgeräten für Autos und bei mobilen Endgeräten sei Linux führend. Linux käme zudem bei "70 Prozent des globalen Aktienhandels" zum Einsatz und werde von Konzernen, die für den Großteil des Internetverkehrs verantwortlich sind, als tragende Plattform genutzt - "sei es Facebook, Google oder Amazon". Linux ist heute genauso in Fernsehern oder eBook-Readern, Smartphones und Tablets, wie in den stärksten Supercomputern zu finden. 90 Prozent der Top 500 Supercomputer setzen auf das freie Betriebssystem.

Scheren uns nicht mehr um Microsoft

Dies sei auch der Grund, weshalb dem Langzeitrivalen Microsoft heute nur noch wenig Beachtung geschenkt würde. "Ich denke, wir sorgen uns nicht mehr so um Microsoft", sagt Zemlin. "Sie waren einst unser größter Rivale, aber heute ist es ein bisschen so, als würde man einen Welpen treten".

Nichtsdestotrotz sei es für viele in der Community "enttäuschend", dass sich Linux nicht auch am Desktop-Markt durchsetzen konnte. Nach wie vor werden 90 Prozent aller PCs und Laptops mit Windows ausgeliefert, der Rest entfällt zum überwiegenden Teil an Apples Mac OS X. Es sei unter dem Strich einfach ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. "Da gab es diesen Monopolisten, der einfach jeden anderen aus dem Markt gedrängt hat", so Zemlin.

Die Zukunft für sich gewonnen

Die gute Nachricht für Linux-Anhänger sei allerdings, dass "der traditionelle Desktop an Bedeutung verliert", während neue Segmente des Client-Computings, in denen Linux stark vertreten ist, immer wichtiger werden. Damit spielt Zemlin auf Smartphones und Tablets an, bei denen Linux als Kernsystem von Googles Plattform Android und auch HPs WebOS zur führenden Plattform heranwächst. Auf lange Sicht, so Zemlin, würden Smartphones und Tablets zunehmend Nutzer von klassischen PCs und Notebooks wegführen, wodurch sich Microsofts Vormachtstellung im Computermarkt auflösen würde.

Bei Tablets wiederum gelte es derzeit einen anderen Marktführer, konkret Apple, zu schlagen. Mit dem iPad konnte der kalifornische Konzern in Windeseile den Tabletmarkt für sich gewinnen. "Wenn du ein Open-Source-Mann bist, ist Apple gleichzeitig dein schlimmster Feind und größter Freund", meint Zemlin. Apple habe viele Open-Source-Komponenten im Einsatz und arbeite hier teils auch gut mit der Community zusammen. Nicht zuletzt habe man die Definition des Client-Computings neu definiert, was auch gut für Linux war. Allerdings sei nicht zu beschönigen, dass Apple auch ein sehr geschlossenes System betreibt.

Bestehende Herausforderungen

Für die Zukunft sei die Linux-Entwicklung in jedem Fall gut aufgestellt. Finanzielle Unterstützung erhalte die Stiftung durch viele der größten Industrievertreter inklusive IBM, Intel, Oracle, Cisco, Google, HP, Red Hat und dutzende andere. "Es sind praktisch alle bis auf Microsoft."

Trotz sonnigem Ausblick stünde Linux Zemlin nach dennoch vor einigen Herausforderungen. Patentrechtsstreitereien und rechtliche Unsicherheit könnten viele davor abhalten, Open-Source anzunehmen - wenngleich diese Probleme nicht nur Open-Source betreffen würden. "Wir müssen die Entwickler von Produkten darin schulen, wie sie mit Open-Source-Lizenzen in kosteneffizienter Weise umgehen", schickt Zemlin voraus. (zw)

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