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Justizministerin Bandion-Ortner muss sich die Gesetzesaufhebung in Deutschland erst "genauer ansehen".

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Laut ursprünglichem Plan sollte ein Stopp-Schild die deutschen User über die illegalen Inhalte informieren und davon abhalten, die Seite anzusurfen. Der Entwurf stammt aus dem Bundesfamilienministerium.

Grafik: Bundesfamilienministerium Deutschland

Eine Infrastruktur zur staatlichen Filterung von Online-Inhalten ist in Österreich künftig nicht auszuschließen – zumindest wenn es nach Justizministerin Claudia Bandion-Ortner geht. Hintergrund: Diese Woche kippte die deutsche Bundesregierung das Anfang 2010 unter heftigem Protest eingeführte "Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen".

Der Gesetzesentwurf der damaligen schwarz-roten Regierung sah die Filterung von Inhalten mittels Netzsperren vor. Kritiker befürchteten, die Sperren könnten letztlich nicht mehr nur gegen kinderpornografische Darstellungen, sondern in Form staatlicher Zensur auch gegen unbequeme Inhalte eingesetzt werden. Knapp 135.000 Mitzeichner unterschrieben eine entsprechende Petition an den Bundestag mit der Forderung, solche Seiten zu löschen, anstatt sie für deutsche Nutzer zu sperren und lediglich mit einem nicht allzu schwer zu umgehenden Stoppschild zu verdecken. Technisch sei die Löschung im Ausland nicht möglich, argumentierten SPD und CDU und stimmten im Juni 2009 für den Beschluss. Im Februar 2010 trat das Gesetz in Kraft, Sperrlisten wurden – wohl auch aufgrund der kontroversiellen Debatte – bis zuletzt nicht angefertigt.

Ministerin Bandion-Ortner liebäugelte immer wieder mit einer ähnlichen Variante auch für Österreich. Die Argumentation wurde aus Deutschland übernommen, wie eine Erklärung aus dem Justizministerium verrät: "Handelt es sich um eine österreichische Seite, kann sie der Provider löschen. Drei solche Fälle gab es im Vorjahr. Das Gros der Fälle betrifft jedoch Server, die im Ausland stehen. Löschen können die Österreicher hier nicht." Was die Österreicher offenbar nicht können, ist für ihre deutschen Kollegen kein allzu großes Problem: Laut aktuellen Daten des Bundeskriminalamts (BKA) wären 99 Prozent aller gemeldeten Seiten mit kinderpornografischen Inhalten spätestens vier Wochen nach der Beschwerde gelöscht.

"Löschen ist das richtige und effektive Mittel"

Der Branchenverband der deutschen Internetwirtschaft eco kam bereits im Jänner zu ähnlich eindeutigen Zahlen. 99,4 Prozent aller 2010 gemeldeten Websites waren zu Beginn dieses Jahres entfernt, jene auf deutschen Servern würden sogar regelmäßig binnen eines Werktages gelöscht. "Manchmal hört man noch die falsche Behauptung, im Ausland gehostete Inhalte ließen sich nicht löschen. Ganz im Gegenteil", so Oliver Süme von eco, "können wir diese Bilder immer schneller abschalten lassen, egal wo sie lagern. Denn kein Land der Erde will sich nachsagen lassen, es biete einen Hafen für Kinderpornografie."

Diese Faktenlage veranlasste nun die CDU-FDP-Regierung zur Aufhebung des Gesetzes. "Sperrung im Internet ist etwas, was berechtigt Ablehnung und Misstrauen hervorruft", erklärte die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Und: "Löschen verbotener Inhalte wie kinderpornografischer Abbildungen ist wirklich das richtige und effektive Mittel."

In Österreich kann man von einer solchen Meinungsumkehr nicht ausgehen. derStandard.at fragte bei Gerald Fleischmann, Sprecher von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, nach. "Möglicherweise kann man bei den Sperren einen besseren Weg gehen als in Deutschland. Trotzdem werden wir uns die Situation in Deutschland genau anschauen, prüfen und Rückschlüsse ziehen. Das kann Einfluss auf die Entscheidung in Österreich nehmen", vermerkt Fleischmann.

Wann mit einer solchen Entscheidung zu rechnen ist, konnte der Sprecher nicht sagen. "Aber generell vertritt die Bundesministerin die Ansicht, dass alles, was auch nur in irgendeiner Form den Missbrauch von Kindern verhindern kann, umzusetzen ist." Augenscheinlich auch, wenn es sich dabei um Netzsperren handelt, über die die deutsche Kollegin Bandion-Ortners kürzlich sagte: "Die dafür erforderlichen technischen Mittel könnten den grundsätzlichen Einstieg in eine Zensur von Internet-Inhalten bedeuten." (Michael Matzenberger, derStandard.at, 9.4.2011)

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