Illu: Beigelbeck

Viel ist es nicht gerade, was Physiker bis jetzt über die große Unbekannte herausgefunden haben. Womöglich handelt es sich um ein bisher völlig unbekanntes Teilchen oder gar um eine neue, fünfte Naturkraft - dann hätte man es mit einer der größten Entdeckungen in der Physik der letzten Jahre zu tun.

Die oder das Unbekannte könnte aber auch nur eine zufällige Datenfluktuation sein, wie sie alle paar Monate bei der Auswertung von Kolli- sionsereignissen eines Teilchenbeschleunigers vorkommt. Klar ist bisher nur, dass Physiker am Tevatron bei Chicago, dem viele Jahre lang größten Teilchenbeschleuniger der Welt, bei der Auswertung von Detektordaten auf ein Signal gestoßen sind, das zu keinem der bekannten Teilchen oder Grundkräfte des physikalischen Standardmodells passt.

Konkret wurden in einer Auswertung von rund 10.000 Kollisionen bei einer Energie von 140 Gigaelektronenvolt pro Quadratzentimeter 253 Treffer mehr registriert als erwartet. Solche Häufungen deuten normalerweise auf die Existenz eines Teilchens hin. Nur: Der rätselhafte "Datenbuckel" passt zu keiner der im sogenannten Standardmodell vorhergesagten Teilchen oder Wechselwirkungen.

Sowohl die unmittelbar beteiligten 700 Physiker als auch die übrige Fachwelt rätselt. Ein Physiker vom Tevatron, der nicht Teil des Teams ist, brachte die Verwirrung so auf den Punkt: "Keiner weiß, was es ist. Aber wenn es echt ist, wäre es die bedeutendste Entdeckung der Physik der vergangenen fünfzig Jahre."

Die Chance, dass es sich bloß um eine Fluktuation handelt, beträgt 1 zu 1375, was den Kriterien für eine Entdeckung noch nicht genügt. Deshalb wird sowohl am Tevatron als auch bei der Konkurrenz am LHC in Genf in den nächsten Wochen heftig nach der Unbekannten gefahndet. Klar scheint immerhin auch zu sein, dass es sich dabei nicht um das lange gesuchte Higgs-Teilchen handelt.

Ein Physiker glaubt jedoch zu wissen, was da entdeckt wurde. Für Physiker Kenneth Lane von der Boston University deutet das Mysterium auf die Technicolor-Kraft hin - eine fünfte Grundkraft, die er mit seinem Kollegen Estia Eichten vom Fermilab seit 20 Jahren theoretisch zu begründen versucht. Lane sagt, dass er die letzten Monate schlecht geschlafen habe - seitdem er nämlich exklusiv von eben jenen Daten erfuhr, die nun auch bei anderen Kollegen für so viel Aufregung sorgen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 9./10. 4. 2011)