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Das Erscheinungsbild von Nestor Kirchner dürfte jedem Imageberater schwere Migräne verursachen: graue Haare, graue Anzüge, er lispelt und schielt, hat null Charisma und wirkt im Umgang mit der Presse hölzern. Er hält jeden Tag seine Siesta, hasst Klimaanlagen, lutscht Pfefferminz und hat so langweilige Hobbys wie Joggen und Lesen. Doch gerade dieses seriöse Image hat dem langjährigen Gouverneur der erdölreichen und bevölkerungsarmen Provinz Santa Cruz zum Vorteil gereicht.

"Der Gletscher" - wie ihn die Presse taufte - gilt im Gegensatz zum überwiegenden Rest der argentinischen Politikerklasse als relativ integer und jemand, der wirtschaften kann. Seit zwölf Jahren regiert der 53-Jährige seine unwirtliche Provinz in der kalten patagonischen Steppe mit einer Mischung aus finanzpolitischer Orthodoxie und dem paternalistischen Gehabe eines Großgrundbesitzers.

So hat er zwar die Ausgaben gekürzt und die Arbeitslosigkeit auf zwei Prozent gedrückt, doch die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die privaten Unternehmen und die Medien hängen von staatlichen Aufträgen und Werbeeinnahmen ab - ein Einfallstor für die Freunderlwirtschaft. Die Provinzgelder hat Kirchner während der Tango-Krise auf ausländischen Konten angelegt und so vor der Abwertung gerettet - in den Bilanzen war dieses Geld jedoch nie aufgetaucht.

1996 gründete Kirchner eine innerparteiliche Strömung innerhalb der Peronisten, die nach politischer Erneuerung strebte und sich klar von der Politik der Dinosaurier wie seinem Exkonkurrenten Carlos Menem und dem jetzigen Präsidenten Eduardo Duhalde abgrenzte.

Dass Kirchner vor einigen Monaten dennoch die Unterstützung Duhaldes annahm, liegt daran, dass er selber innerparteilich ein Leichtgewicht ist. Duhalde stellte ihm nicht nur den Parteiapparat der Peronisten in der bevölkerungsreichsten Provinz, Buenos Aires, zur Verfügung, sondern brachte ihm auch die Unterstützung zahlreicher Schlüsselfiguren der Partei.

Geboren wurde der hoch gewachsene Mann mit den Schweizer Vorfahren am 25. Februar 1950 in Rio Gallegos, der Hauptstadt von Santa Cruz. Er studierte an der Universidad de la Plata in der Provinz Buenos Aires Jus, engagierte sich unter der Militärdiktatur im linken Flügel der Peronisten und flüchtete vor der Repression 1976 wieder in die ruhigeren Gefilde seiner Heimatprovinz Santa Cruz.

Später machte er dort zusammen mit seiner Frau Cristina - ebenfalls Anwältin - ein Anwaltsbüro auf. Die beiden haben zwei Kinder. Cristina, eine streitbare Senatorin mit Hang zu extravagantem Outfit, ist Kirchners wichtigste Beraterin und gilt als einflussreiche Drahtzieherin hinter den Kulissen. (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2003)