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Foto: APA/dpa/Stefan Kiefer
... von Mauthausen die US-Botschaft im Schulterschluss mit der ÖVP gefolgt ist, holte "Die Presse" Mittwoch zu einem erweiterten Nachschlag aus - Nachtreten mit Bush und Rumsfeld im Rücken macht Spaß -, in dem nicht mehr ein Einzelner sein Fett abkriegte, sondern den Kunstschaffenden allgemein nahe gelegt wurde,die Goschen zu halten. Wodurch, so fragte Andreas Schwarz im Feuilleton unter dem Titel Die Anmaßung der Künstler, sind Kunstproduzierende berufen, gesellschaftspolitisch Stellung zu nehmen? Schwarz wirft damit im Sinne der Blattlinie eine dergroßen Fragen unserer Zeit auf, ist doch der Bundeskanzler überhauptder Meinung, außer ihm wäre niemand berufen, gesellschaftspolitisch Stellung zu nehmen. Zwar hat dieses Land noch immer eine Verfassung, die dieses Recht jedermann ohne berufliche oder sonstige Voraussetzungen zugesteht, was "Die Presse" aber nicht hindert, dies offenbar als Mangel unseres Rechtssystems einzuschätzen, zumindest aber als grobe Ungehörigkeit, wenn jemand davon Gebrauch macht. Da sind sie wieder, die Kulturschaffenden, die sich als wahre Instanz der Gesellschaftspolitik sehen und gerne so gesehen werden, lamentiert Andreas Schwarz, ohne auch nur den Funken eines Beweises sprühen zu lassen, der seine Behauptung untermauern könnte. Ihm genügt es, dass einige von ihnen in den Tagen zuvor den Mund aufgemacht haben - die falschen. Von einem Morak, der sich mehr als andere als wahre Instanz der Gesellschaftspolitik sehenmag, kein Wort. Es waren Heller, Andreas Mailath-Pokorny und der Mercutio, der in der Festwochenaufführung von "Romeo und Julia" über Benvolio urteilt: "He ist more ugly than Mister Bush." Man muss sich bei den USA doch für die Schützenhilfe im Fall Heller revanchieren. Nun mag es wie andere Schaffende auch Kulturschaffende geben, die sich als wahre Instanz der Gesellschaftspolitik sehen. Aber was Schwarz stört, ist nicht deren Selbsteinschätzung, sondern dass sie unter Gesellschaftspolitik etwas anderes verstehen als die dumpfe Kulturspargesinnung, die unsere obrigkeitlichen Brauchtumspfleger anden Tag legen. Was hebt sie heraus, zwischen Gut und Böse zuentscheiden, zu sagen, wo's lang zu gehen hat und was für Gesellschaftsfossile die sind, die nicht mitgehen? fragt ein Blatt, das sich täglich ganz selbstverständlich anmaßt, zwischen Gut und Böse zu entscheiden. Oder unterliegen sie bloß dem Reiz des Schicks, die Avantgarde gesellschaftlicher Aufgeklärtheit zu mimen - ein Reiz , dem zu unterliegen die Gehrer-Liesl und Mime Morak kaum Gefahr laufen. Doch Kollege Schwarz ist nicht kleinlich, Schüssel wäre strenger: Es bleibt Kunstproduzierenden fraglos überlassen, eine Meinung zu haben und sie zu vertreten. Fein. Aber wodurch unterscheidet sich die gesellschaftspolitische Kompetenz des Hollywood-Stars, der ein Handwerk betreibt wie jeder andere, von der eines Konditors oder Mathematikprofessors? Also das ist so einfach, dass sich ein weniger verbohrter "Presse" -Redakteur die Antwort leicht selber geben kann: Ein Konditor oder Mathematikprofessor könnte diese Regierung sogar über den grünen Kleeloben, es wäre Herrn Schwarz keine Kolumne wert, in der er darüber räsoniert, was Konditoren und Mathematikprofessoren heraushebt, zwischen Gut und Böse zu entscheiden, obwohl es sicher auch unter diesen welche gibt, die sich als wahre Instanz der Gesellschaftspolitik sehen. Schließlich ist es viel ergiebiger, Harald Krassnitzer ohne besonderen Anlass als seichten Hauptabend-Seifenstar zu entlarven - soll er doch für eine politische Partei, gegen die Inkompetenz und gegen den Irak-Krieg sein. So etwas muss doch auf die schauspielerische Qualität abfärben. Nur im S TANDARD bekämpft "Die Presse" Anmaßung noch lieber als im Künstler. Leider nicht besser. Als neulich die Drucker streikten, rühmte sie sich ihrer Online-Ausgabe: Die einfache Handhabung lockte um etwa ein Fünftel mehr Leser als sonst ins Web. Auch das Große-Bruder-Blatt, die "Kleine Zeitung" , rechnet mit einem 60-prozentigen Anstieg durch den registrierungsfreien Zugang zum E-Paper, was wenig glaubhaft war. Und DER S TANDARD ? Der "Standard" hingegen konnte nur etwa 10 Prozent mehr Leser mit seinem E-Paper ins Netz locken. Um das zu erforschen, hat "Die Presse" beim S TANDARD sogar recherchiert. Zurückhaltend. Die zehn Prozent mehr S TANDARD -Leser wurden der "Presse" am Vormittag als erste Schätzung und ohne E-Paper mitgeteilt, einen späteren Anruf ersparte man sich lieber. Es wurden dann 20 Prozent. Nur: Der angebliche 60-prozentige Zuwachs bei der "Kleinen Zeitung" hätte auf der Basis des Tagesdurchschnitts der letzten drei Monate etwa 30.000 Visits mehr ausgemacht, der 20-prozentige der "Presse" grandiose 9000 Visits. Da verzichtet man lieber auf die Mitteilung, dass der 20-prozentige Zuwachs des S TANDARD etwa 50.000 Visits mehr ergab. Eine Frage: Worin unterscheidet sich die journalistische Kompetenz der "Presse" von der eines Konditors? (DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2003)