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Sabine Wintersteller: "Ich habe geglaubt, ich bin um 100 Kilo leichter"

Foto: APA/ Robert Jaeger

Salzburg/Berlin/Algier - Die befreiten Sahara-Urlauber aus Österreich, Deutschland und Schweden sind während des Entführungsdramas offenbar von tätlicher Gewalt verschont geblieben. Das berichten die "Salzburger Nachrichten".

Die Geiselnehmer hätten sie manchmal mit ihren Waffen bedroht, mehr aber nicht, sagte die vermisst gewesene 41-jährige Sabine Wintersteller aus Puch bei Hallein trotz des selbst auferlegten Stillschweigens der Geiseln zu der Tageszeitung.

Nur Grießbrei keine Vitamine

"Ich habe geglaubt, ich bin um 100 Kilo leichter", schilderte sie ihre Gefühle nach der Befreiungsaktion gegenüber dem ORF Salzburg. Gesundheitlich gehe es ihr recht gut, nur habe sie gestern einen Kreislaufkollaps erlitten, weil sie in den vergangenen Wochen praktisch keine Vitamine zu sich nehmen konnte. Man sei die ganze Zeit mit einer Art Grießbrei ohne Zucker und Salz ernährt worden, der Körper habe deshalb überhaupt keine Mineralstoffe zu sich nehmen können. "Deshalb muss ich vorerst sehr vorsichtig wieder zu essen beginnen", so Wintersteller. Sie esse wenig, vorwiegend nehme sie Vitamine zu sich.

Wasser filterten Geiseln mit Toilettenpapier

Zu den hygienischen Bedingungen sagte Wintersteller, "das muss man selbst erlebt haben". Das Wasser hätten sich die Geiseln mit Toilettenpapier selbst gefiltert. Und auf die Frage, wie sie heute die erste Nacht zu Hause verbracht habe, meinte die 41-Jährige, sie habe schlecht geschlafen. Sie habe sich gefragt, in welcher Höhle sie heute sei, weil sie keinen Ausgang sehe.

Kritik an Meldungsweitergabe

Unterdessen wächst die Sorge um die in Algerien verbliebenen 15 Geiseln - zehn Deutsche, vier Schweizer und ein Niederländer. Nach den Erfolgsmeldungen über die erste Geisel-Befreiung äußerte die algerische Regierung scharfe Kritik am Verhalten der Medien. Deren Berichterstattung zu einem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahmen zur Befreiung der anderen Entführten noch nicht abgeschlossen waren, gefährde die verbliebenen Geiseln, warnte Außenminister Abdelaziz Belkhadem. Mehrere europäische Regierungen kritisierten auch Österreich dafür, dass die Nachricht vom Ende der Geiselhaft für die erste Gruppe zu früh an die Öffentlichkeit gelangt sei.

Ferrero-Waldner weist Vorwürfe zurück

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) wies Kritik an der Informationspolitik ihres Ministeriums im Zusammenhang mit der Geiselbefreiungsaktion in Algerien zurück. Das Außenministerium habe eine "sehr zurückhaltende Informationspolitik" betrieben und sich darauf beschränkt, richtige Informationen zu bestätigen, die österreichische Medien von Geiseln oder von algerischer Seite erhalten hätten, sagte Ferrero-Waldner. "Wir mussten richtige Informationen bestätigen", betonte die Ministerin. "Wir sind von der Mediengesellschaft überfahren worden."

Versteck der zweiten Geiselgruppe

Die Vermissten werden nach Informationen aus algerischen Militärkreisen in einer Höhle in der Nähe der Wüstenstadt Illizi vermutet. Die algerischen Spezialeinheiten hätten das Versteck, in dem die Entführer vermutet werden, bisher aber noch nicht angegriffen.

Algerischen Pressemeldungen zufolge steht eine gewaltsame Befreiung der Geiseln aber bevor. "Ein Angriff scheint sich abzuzeichnen", schrieb die Tageszeitung "Le Quotidien D'Oran" am Donnerstag und berief sich dabei auf Angaben eines Reiseveranstalters im Süden des Landes.

Sabines Vater Gerhard Wintersteller berichtete in einem RTL-Exklusiv-Interview, die Geiselnehmer seien "reine islamistische Terroristen", die die Regierung stürzen und einen Gottesstaat einrichten wollten. "Sie wollten Geld, um sich Waffen zu besorgen", sagte Wintersteller. Die Geiselnehmer hätten sich seiner Gruppe in einem deutschen Touristenauto genähert. Da es unter Sahara-Reisenden üblich sei, Neuigkeiten auszutauschen, habe sein Fahrzeug angehalten. Sofort seien acht Terroristen aus dem anderem Wagen gesprungen und "hielten uns die Kalaschnikows vor die Nase". Alle Geiseln hätten sich auf den Boden werfen müssen.

Versteckt in wasserlosen Flusstal

Anschließend seien sie vier Tage mit ihren Bewachern zu einem wasserlosen Flusstal gefahren, wo sie vier oder fünf Tage versteckt gehalten worden seien. Das Ganze habe sich mehrere Male wiederholt. "Dann wurden die Intervalle immer kürzer, sie spürten, dass ihnen das Militär auf den Fersen ist." Am Ende sei die Gruppe jede Nacht auf der Flucht gewesen. "Unsere Schuhe waren zerfetzt, wir waren am Ende unserer physischen Kräfte, konnten einfach nicht mehr", sagte Wintersteller. Zu der Befreiungsaktion sagte er aus Rücksicht auf die noch Vermissten nichts.

Die Streitkräfte bestätigten, die Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC) sei für die Geiselnahme verantwortlich. Die Gruppe soll Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida haben. ((APA/AP/dpa/Reuters)