Salzburg - Die Geschworenen waren sich nach nur zweieinhalb Stunden Beratung einig. Freitag, 11.35 Uhr, verkündete Richter Peter Reifenberger das Urteil: Freispruch für den Angeklagten Peter Heidegger im so genannten Salzburger Taximordprozess. In allen drei gestellten Fragen (Mord, Raub, unabsichtliche Tötung) entschieden die Geschworenen mit 8:0 Stimmen für die Unschuld Heideggers. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Widerrufene Geständnisse

Dem 29-jährigen Gmundner war vorgeworfen worden, 1993 in Wals die Taxilenkerin Claudia Deubler erschossen und beraubt zu haben. Die fünf Geständnisse, die Heidegger abgelegt hatte, widerrief er später - er sei von den Ermittlern unter Druck gesetzt worden. Dennoch war der gelernte Fliesenleger 1994 zu 20 Jahren Haft verurteilt worden und saß acht Jahre im Gefängnis. 2001 erreichte er die Wiederaufnahme seines Verfahrens. Für 2865 Tage in der Zelle wurde Heidegger nun Haftentschädigung zugesprochen (s. nebenstehenden Artikel).

Berührende Szenen spielten sich nach dem Freispruch ab. Peter Heidegger brach in Tränen aus und umarmte minutenlang seine Mutter. Auch sein Verteidiger Franz Gerald Hitzenbichler, der seit 1994 um die Wiederaufnahme gekämpft hatte, standen die Tränen in den Augen.

Hoffnung Freispruch

"Ich werde jetzt neu anfangen", sagte Heidegger. Er wolle nach Gmunden zu seiner Freundin und sich einen neuen Freundeskreis aufbauen, durch die lange Haft habe er viele Freunde verloren. Er habe immer gehofft, dass es zum Freispruch kommt, sagte, er, "über die Hafterlebnisse will ich gar nicht sprechen."

Schon wenige Tage nach der Bluttat im Juli 1993 hatte die Gendarmerie ihr ganzes Interesse auf den damals 19-Jährigen gerichtet, der zu dieser Zeit seinen Präsenzdienst in Wals ableistete: Der Pächter einer Pizzeria in der Nähe des Tatortes hatte angegeben, dass er wenige Minuten nach dem Mord einen Soldaten im Auto zum Bahnhof mitgenommen habe. Die Spur führte zu Heidegger, weil dieser am Tag nach dem Mord nicht mehr eingerückt war.

Entlastungszeuge

Schon kurz nach der Verurteilung tauchte der Zeuge Daniel N. auf, der bei der Polizei aussagte, dass sein Freund Tommy S. die Taxilenkerin ermordet habe. Er selbst sei bei der Tat dabei gewesen. 1998 wurde genau an jener Stelle eine alte Wehrmachtspistole gefunden wurde, wo sie der Täter laut diesem Zeugen nach der Tat weggeworfen haben soll. Vor der Gendarmerie widerrief N. die Aussage allerdings. Seine Begründung: Er sei von den Beamten "unter Druck gesetzt" worden.

Ob die Staatsanwaltschaft nun Ermittlungen gegen jenen Tommy S. aufnimmt, steht noch nicht fest. Gegen sechs Kriminalbeamte der Gendarmerie laufen jedenfalls jetzt wegen des Verdacht des Amtsmissbrauchs, der Urkundenunterdrückung und der falschen Zeugenaussage Ermittlungen. Der Richter hatte ihre Arbeit scharf kritisiert.

Entschädigung für 2865 Tage in der Zelle

Der Freispruch muss rechtskräftig werden, dann bekommt Peter Heidegger für 2865 Tage in der Zelle Haftentschädigung. Die Höhe steht nicht fest.

Anwalt Franz Gerald Hitzenbichler rechnete am Freitag mit so viel, wie es bei "mittleren Schmerzen nach einem Verkehrsunfall" gibt. Das könnten nach Versicherungsauskunft in Salzburg 190 Euro pro Tag sein. Für Heidegger ergäbe das 544.350 Euro.

Abgeordneter dämpft hohe Erwartungen

SPÖ-Konsumentensprecher Johann Maier bezweifelt dies. Heidegger habe nur Anspruch auf Ersatz der vermögensrechtlichen Nachteile. "In Österreich gibt es immer noch keinen immateriellen Schadenersatz, also eine Art Schmerzensgeld", bedauerte Maier. Und auch die Anwaltskosten werden nur mit einem Pauschalbetrag entschädigt, 4.361 Euro aus. Hitzenbichler arbeitet seit 1994 an dem Fall und ließ teure Gutachten erstellen.

Meist ungerechtfertigte Untersuchungshaft

Die Republik Österreich zahlte im vergangenen Jahr an 70 Menschen insgesamt 285.585 Euro Haftentschädigung. Meist ging es dabei um ungerechtfertigt Untersuchungshaft. Die Zahl Betroffener stieg in den vergangenen Jahren, die Beträge ebenso: 1997 73.979 Euro 1998 34.611 Euro 1999 66.969 Euro 2000 82.471 Euro 2001 170.724 Euro

(fern, DER STANDARD Printausgabe 17/18.5.2003)