Wien/Aberdeen - Knapp 74 Jahre nach seinem Tod ist die Asche von Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, in Schottland entdeckt worden. Am 28. Mai 1937 ist der Wiener Psychoanalytiker im Alter von 67 Jahren vermutlich an einer Herzattacke in Aberdeen gestorben. Die verschollen gewesene Asche des Arztes ist nun vom österreichischen Honorarkonsul in Schottland, John Clifford, in einem Krematorium in Edinburgh entdeckt worden, berichteten schottische Medien.

Die Suche nach den sterblichen Überresten Adlers war laut Margot Matschiner-Zollner, Präsidentin des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie, 2009 gestartet worden.

Adlers Tod

Massiver Stress dürfte nach Meinung seiner Familie zum Ableben Adlers beigetragen haben, sagte die in Amerika lebende Enkelin Margot Adler dem "Guardian". Der Wissenschafter hatte damals von der Inhaftierung seiner ältesten Tochter Valentina, einer überzeugten Kommunistin, in einem sowjetischen Gulag erfahren. Das Aufkommen des Faschismus machte Adler ratlos. 1934 übersiedelte der Psychologe in die USA. Am 28. Mai 1937 ist er schließlich während einer Vortragsreise durch Europa in Aberdeen zusammengebrochen und gestorben.

Die Feuerbestattung sei in der Familie üblich gewesen, so Margot Adler. "Edinburgh war der einzige Ort, wo zu dieser Zeit der Leichnam Adlers verbrannt werden konnte", betonte Clifford gegenüber "scotman.com". "Seine Familie kam zur Bestattung, aber seine Asche blieb zurück." Clifford hat die Überreste Adlers nun in einem Krematorium - nur einige hundert Meter vom Konsulat entfernt - gefunden.

Übergabe und Beisetzung

Anfang kommender Woche wird eine Delegation des Österreichischen Vereins für Individualpsychologie nach Edinburgh reisen und die Urne Adlers nach Wien bringen. Wie Matschiner-Zollner sagte, wird es einen Empfang durch den Bürgermeister von Edinburgh und einen Gedankenaustausch mit schottischen Kollegen geben. Die sterblichen Überreste Adlers sollen dann am 12. Juli in einem von der Gemeinde Wien gewidmeten Ehrengrab am Zentralfriedhof beigesetzt werden. Dazu wird auch Margot Adler erwartet.

Biografie

Der überzeugte Sozialdemokrat Alfred Adler wurde am 7. Februar 1870 als Sohn eines jüdischen Getreidehändlers in Wien-Rudolfsheim geboren. Als Kind litt Adler, wie er später diagnostiziert hatte, an einer "Organminderwertigkeit", einer seiner Bausteine in seinen späteren Lehren: Er hatte Rachitis und einen Stimmritzenkrampf. Er war ein "mittelmäßiger Schüler" mit Schwierigkeiten im Zeichnen und in Mathematik. Vom Lehrer als "unbegabt" beurteilt, gelang es Adler dann einmal, eine außergewöhnlich schwierige Aufgabe zu lösen, worauf er zum besten Mathematikschüler der Klasse wurde. Dieser selbst-erlebte "Begabungswandel" hat Adler Zeit seines Lebens kritisch gegen den Begriff "Begabung" gemacht.

1902 begegnete Adler erstmals Sigmund Freud und nahm von da an an dessen Mittwochabend-Sitzungen teil, wo er in der Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse seine eigenen psychologischen Ansätze entwickelte. 1907 veröffentlichte er seine "Studie über die Minderwertigkeit von Organen" und zeigte so, dass er sich auf seiner eigenen Bahn weiterbewegte. 1911 kam es zum Bruch mit Freud.

Adler gründete seinen eigenen Verein und begann sein eigenes System aufzubauen, die Individualpsycholgie. Diese wurde bald in der Fachliteratur als Alternative zur Psychoanalyse anerkannt, ein wachsender Schülerkreis unterstützte ihn in seinen Bemühungen. Nach dem Ersten Weltkrieg widmete sich Adler Fragen der Erziehung. (APA/red)