Wien - Bei Ariane und Cindy (Namen geändert), Lebensgefährtin und eineinhalbjährige Tochter des vergangene Woche nach einem negativen Asylbescheid in seine frühere Heimat abgeschobenen Gambiers Sam M., hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg (EuGH) neue Hoffnungen geweckt.

Vielleicht bestehe ja doch eine Chance für eine baldige Wiedereinreise Sams, der jetzt, nach über vier Jahren in Österreich samt Familiengründung, deprimiert in Gambia sitze (derStandard.at berichtete). Und Cindy, die derzeit täglich fragt, wo ihr Vater bleibe, bekomme diesen bald zurück, hofft Mutter Ariane.

Darauf hat das kleine Mädchen laut dem höchsten Gericht der Europäischen Union, dessen Sprüche in allen Mitgliedstaaten direkt umzusetzen sind, auch Anspruch. Denn sie ist Österreicherin, so wie ihre Mutter Ariane, eine Linzerin - und laut dem EuGH-Urteil vom 8. März 2011 haben Kinder mit EU-Staatsbürgerschaft das verbriefte Recht, mit ihren Eltern in der Union zu leben.

Arbeitsbewilligung zwingend

Auch, wenn einer der Elternteile - oder beide - aus einem Drittstaat kommen. Und mehr noch: den drittstaatsangehörigen Eltern(teilen) ist zwingend eine Arbeitsbewilligung zu geben.

"Es ist davon auszugehen, dass eine Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an die Eltern diese Kinder dazu zwingen würde, das Gebiet der EU zu verlassen, um die Eltern zu begleiten. Und würde den Eltern keine Arbeitsbewilligung garantiert, bestünde das Risiko, dass sie nicht in ausreichendem Maß für sich und ihre Familie sorgen können." Mit diesen Worten habe der EuGH "EU-Rechtsgeschichte in Fremdenangelegenheiten geschrieben", meint der Migrationsexperte Bernhard Perchinig. In Ländern wie Frankreich, das allen in Land Geborenen die Staatsbürgerschaft gewährt, werde es "große Auswirkungen" haben. In Österreich, wo die Staatsangehörigkeit der Eltern jene des Kindes bestimmt, weniger: "Aber im Fall Sam M. ist der Spruch eins zu eins anzuwenden."

Korun sieht Reformbedarf

Das meinen auch M.s Anwalt Lennart Binder und Grünen-Integrationssprecherin Alev Korun. Binder hatte dem für das Ausweisungsverfahren zuständigen Bundesasylamt schon vor Wochen mitgeteilt, dass der Luxemburger Spruch Relevanz besitze. Die trotzdem erfolgte Abschiebung am 5. April sei "ein Skandal", meint Binders Mitarbeiter Tim Außerhuber.

Korun wiederum sieht dringenden gesetzlichen Reformbedarf: "Wenn schon das Fremdenrecht novelliert wird, so muss dieser Spruch mit einbezogen werden", meint sie. Aus dem Innenministerium gab es am Montag dazu keine Stellungnahme. (Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 12.4.2011)