Wien - Bis zum Sommer muss die Staatsanwaltschaft die Anklage im Fall der Buwog-Privatisierung vorlegen. Oder sie muss den Fall mit einer überzeugenden Begründung zurücklegen. Das hat Justizministerin Claudia Bandion-Ortner am Montag entschieden.
Es ist die erste Weisung, die die Ministerin erteilt hat - und sie macht klar, dass dieser noch weitere folgen werden. Bisher hatte sie die Arbeit der Justiz stets öffentlich verteidigt, angesichts des Vertrauensverlustes in das Funktionieren ihres Ressorts hat sie allerdings einen neuen Kurs eingeschlagen: Künftig will sie regelmäßige Berichte in allen "clamorosen" , also wegen prominenter Beteiligter in der Öffentlichkeit Causen. Dabei handle es sich in Wahrheit nur um eine Handvoll Fälle, erläuterte Bandion-Ortners Sprecher Gerald Fleischmann.
Aber gerade in denen müssten rasche Fortschritte erzielt und gegebenenfalls Anklage erhoben werden. Einer dieser Fälle betrifft die im Verdacht neonazistischer Wiederbetätigung stehende Website Alpen-Donau.Info beziehungsweise deren Betreiber. Hier muss vom zuständigen Staatsanwalt innerhalb von zwei Wochen ein Bericht erfolgen. In spätestens drei Monaten soll entschieden werden, ob Anklage erhoben wird.
Ferner strebt Bandion-Ortner an, die Überprüfung der Einstellung des Eurofighter-Verfahrens voranzutreiben. Bis Mai soll diese abgeschlossen sein. In der Sache greift die Ministerin allerdings nicht ein: Gerade in diesemFall hatte es ja heftige Kritik daran gegeben, dass die Konten der Beschuldigten - unter anderem Gernot Rumpold und Generalmajor Erich Wolf - nicht geöffnet wurden. Der Staatsanwalt hatte argumentiert, dass das erwartbare Ermittlungsergebnis den Grundrechtseingriff der Kontenöffnung nicht rechtfertigen würde. Eine Weisung, dies nun nachzuholen, hat die Ministerin nicht erteilt.
Weisungsrecht wiederentdeckt
Mit der Ausübung des - nie abgeschafften - Weisungsrechts vollzieht die Ministerin nicht nur eine Wende in ihrer persönlichen Haltung gegenüber ihrem Ressort. Sie markiert auch ein justizpolitisches Umdenken: Jahrzehntelang hatte das Weisungsrecht, dem die Staatsanwälte unterliegen, für massive Kritik gesorgt. Einige der bedeutendsten Wirtschaftskriminalfälle der Zweiten Republik - Bauring, AKH, Lucona - wurden von der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft unter Oberstaatsanwalt Otto F. Müller nur zögerlich verhandelt, politische Deckung kam von den damaligen Justizministern Christian Broda (SPÖ) und Harald Ofner (FPÖ).
In der großen Koalition 1987 bis 2000 versuchte man diese politische Einflussnahme durch die Bestellung der parteifreien Minister Egmont Foregger und Nikolaus Michalek zu entschärfen. Zuletzt haben die (seit 2000 wieder aus Parteivorschlägen bestellten) Justizminister bei Weisungen Zurückhaltung geübt.
Das war immer wieder auch von der SPÖ kritisiert worden: Deren Geschäftsführer Günther Kräuter hatte Ministerin Bandion-Ortner mehrfach aufgefordert, in Großverfahren "endlich" per Weisung Dampf zu machen. Am Montag las man es allerdings anders: Kräuter lehnte in einer Aussendung den verstärkten Gebrauch des Weisungsrechts ab. Deren Absicht, wöchentlich auf brisante Verfahren Einfluss zu nehmen, sei "mitnichten geeignet, das öffentliche Vertrauen in eine unabhängige Justiz in den Fällen Buwog mit Grasser, Meischberger, Plech und Hochegger oder Eurofighter mit Rumpold, Wolf, Steininger und Mensdorff-Pouilly zu verbessern" . Kräuter wünscht sich einen unabhängigen Generalstaatsanwalt, der vom Nationalrat mit Verfassungsmehrheit gewählt werden müsste.
Auch der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser ist über die Weisungen der Ministerin unglücklich: Sie könne damit zwar Zeitdruck erzeugen, aber gerade das könnte bei der geringen personellen Ausstattung dazu führen, dass zu wenig ermittelt werde. Bandion-Ortner selbst ist der Kritik über mangelnde Mittel müde: Dem Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Walter Geyer, richtete sie aus, sie erwarte von ihm weniger Interviews und mehr Ergebisse. (Conrad Seidl, DER STANDARD; Printausgabe, 12.4.2011)