Die Bundesministerin für Justiz gab vergangene Woche in einem ZiB2-Interview zur Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in der Causa Eurofighter eine interessante Stellungnahme ab, die mittlerweile über Youtube (www.youtube.com) Verbreitung findet und die Justiz in ein Licht rückt, das sie auch bei kritischer Beurteilung nicht verdient.

Die hier interessierenden Fakten lassen sich kurz zusammenfassen: Nach mehrjährigen Erhebungen wurde das Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. Zuvor war aufgrund gesetzlicher Vorgaben wegen des evidenten besonderen öffentlichen Interesses genau diese beabsichtigte Vorgehensweise der Oberstaatsanwaltschaft und dem Bundesministerium für Justiz berichtet und von diesen genehmigt worden. Die oberste Weisungsspitze der Staatsanwälte in Österreich, die Bundesministerin für Justiz, war somit über sämtliche Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens voll informiert. Als letztverantwortliche Instanz akzeptierte sie die Einstellung des nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens. Diese Einstellung kommt ihrer Natur nach einem Freispruch in einer öffentlichen Hauptverhandlung gleich.

Frau Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner begründete in dem Interview aber nicht die von ihr rechtlich und politisch zu verantwortende Beendigung des Verfahrens, wie es von ihr als Justizministerin und "oberster Chefin" der Staatsanwälte zu erwarten wäre und was von Armin Wolf bei dem Interview zu Recht auch eingefordert wurde. Sie meinte lediglich, sie sei "nicht die oberste Staatsanwältin in diesem Land" und sie dürfe die Begründung wegen des Amtsgeheimnisses nicht öffentlich machen. Dies wäre erst ab Herbst nach einem zwar beschlossenen, aber noch nicht in Kraft stehenden Gesetz möglich. Die Sache sei noch nicht zu Ende, vor allem habe noch ein Rechtsschutzbeauftragter die Einstellung zu prüfen. Eine solche unabhängige Prüfung sei aufgrund einer ihrer Gesetzesinitiativen seit Jahresbeginn möglich.

Dieser Stellungnahme ist entschieden zu widersprechen.

Erstens: Die Ministerin ist zwar tatsächlich keine Staatsanwältin, schon gar nicht die höchste, sie hat aber das politisch umstrittene Weisungsrecht über die Staatsanwaltschaften. Dieses Recht übte sie aus, indem sie die Einstellung des Verfahrens genehmigte. Wäre sie nicht einverstanden gewesen, hätte sie die Pflicht gehabt, ein weiteres Tätigwerden der Staatsanwaltschaft zu veranlassen.

Zweitens: Die allgemeine Berufung auf das Amtsgeheimnis, dessen Verletzung durch § 310 Strafgesetzbuch mit einer veritablen Strafdrohung belegt ist, geht fehl. Das Amtsgeheimnis ist vielmehr eng auszulegen. Die Offenbarung des Geheimnisses muss geeignet sein, ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse zu verletzen, um einen Verstoß gegen das Strafgesetz bilden zu können.

Das Gegenteil ist hier der Fall. Das besondere öffentliche Interesse an den Gründen der Einstellung ist notorisch, und eine nachvollziehbare Begründung müsste allemal möglich sein, ohne berechtigte private Interessen zu verletzen.

Drittens: Das Verfahren ist rechtswirksam eingestellt und diese Entscheidung ist vom Rechtsschutzbeauftragen keinesfalls noch einmal zu überprüfen. Der Rechtsschutzbeauftragte ist kein "Über-Minister-Staatsanwalt" , sondern eine Einrichtung zur Stärkung der Opferperspektive, die im Interesse des Opferschutzes bloß beantragen kann, das Ermittlungsverfahren fortzuführen. Das vermag in keiner Weise die bestehenden Qualitätssicherungen im staatsanwaltlichen Bereich zu substituieren.

Im Zusammenhang mit der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens sich auf das Amtsgeheimnis zu berufen und den Rechtsschutzbeauftragten ins Spiel zu bringen widerspricht der Rechtslage. Die praktizierte Vorgangsweise muss überdies als Versuch gewertet werden, sich aus rechtlicher und politischer Verantwortung zu stehlen. Die Justiz in diesem Land - zu der neuerdings unser Bundesverfassungsgesetz auch die Staatsanwälte als "Organe der Gerichtsbarkeit" zählt - hat das nicht verdient. Auch für die Politik ist eine solche Performance keineswegs imagefördernd. (Richard Soyer, DER STANDARD; Printausgabe, 12.4.2011)