Jerusalem - Israel muss nach Auffassung von Außenminister Avigdor Lieberman den Sturz des Hamas-Regimes im palästinensischen Gazastreifen herbeiführen, um einem endlosen Zermürbungskrieg zuvorzukommen. Weitere Waffenstillstandsversuche würden es der radikalen islamischen Organisation nur erlauben, sich weiter zu stärken nach dem Vorbild der libanesischen Schiitenbewegung Hisbollah, sagte Lieberman am Montagabend dem israelischen Rundfunk. Er widersprach damit Verteidigungsminister Ehud Barak, der sich nach tagelangem gegenseitigen Beschuss unter Bedingungen zu einem Waffenstillstand mit der Hamas bereiterklärt hat. Zugleich betonte Lieberman, dass er keine Koalitionskrise provozieren wolle.
Landau: "Wir müssen auf ihre Köpfe zielen"
Infrastrukturminister Uzi Landau sprach sich unterdessen für die Wiederaufnahme der Politik der "gezielten Tötungen" aus. "Wir müssen auf die Köpfe zielen", betonte Landau, auf die palästinensischen "Eichmanns", fügte er hinzu. Der neu ernannte Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Beth, Yoram Cohen, gilt als einer der Architekten der Strategie "gezielter Tötungen", denen führende radikale Palästinenser wie der Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin und dessen Nachfolger Abdelaziz Rantisi zum Opfer gefallen waren. Diese Praxis ist von den Vereinten Nationen und der EU scharf verurteilt worden.
Rückkehr zur Ruhe sei "großer Fehler"
Lieberman hatte erklärt, es wäre ein "großer Fehler", eine Rückkehr zur Ruhe im Gaza-Konflikt zu suchen, da dies nur die Hamas stärken würde. Israel hatte irritiert auf die von der neuen ägyptischen Führung gewünschte Annäherung zwischen der Fatah von Präsident Mahmoud Abbas und der Hamas reagiert. Premier Benjamin Benjamin Netanyahu hatte erklärt, Abbas könne nicht gleichzeitig Frieden mit Israel und der Hamas schließen, die zur Zerstörung Israels aufrufe.
Am vergangenen Donnerstag hatte eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Panzerabwehrrakete im Süden Israels einen Schulbus getroffen und einen 13-Jährigen schwer verletzt. Bei den darauffolgenden Vergeltungsangriffen der israelischen Armee wurden nach Angaben von Ärzten im Gazastreifen bis Sonntag 18 Palästinenser getötet und fast 70 weitere verletzt. Die Konfrontation ist die blutigste seit der dreiwöchigen israelischen Offensive zwischen Dezember 2008 und Jänner 2009. Bei der Militäraktion mit der Bezeichnung "Gegossenes Blei" waren mehr als 1400 Palästinenser getötet und über 5000 weitere verletzt worden.
Lieberman hatte wiederholt erklärt, dass es in den kommenden zehn Jahren kein Friedensabkommen mit den Palästinensern geben würde. Nach geheimen US-Dokumenten, die von der Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlicht worden sind, hat Lieberman Abbas als "schwach, korrupt und nicht mehr relevant" eingestuft. (APA)