Mehr Lachgas aus europäischen Wäldern als erwartet. Verantwortlich dafür reaktive Stickstoffverbindungen aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie.

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Stickstoffverbindungen (beispielsweise NH3 und NOx), die Landwirtschaft, Verkehr und Industrie absondern, führen in den Wäldern zu erhöhten Lachgas-Entstehung (N2O). Die Lachgasemission aus dem Waldboden ist dabei offenbar mindestens doppelt so hoch wie der Weltklimarat bisher angenommen hatte. Das ist eines der Hauptergebnisse des ersten Gutachtens zu Stickstoff in Europa (European Nitrogen Assessment, ENA), das für die UN-Kommission für Luftreinhaltung erstellt wurde und in dieser Woche im Rahmen der Internationalen Konferenz "Nitrogen and Global Change 2011" in Edinburgh, Schottland, vorgestellt wird.

Lachgas gehört nach Kohlendioxid und Methan zu den Hauptverursachern des Treibhauseffekts. Dabei ist ein Kilogramm Lachgas rund 300 Mal treibhauswirksamer als die gleiche Menge Kohlendioxid. Das nun vorliegende ENA-Gutachten, an dem mehr als 200 Experten aus 21 Ländern mitgewirkt haben, weist nach, dass die Auswirkungen von Einträgen von reaktivem Stickstoff aus der Luft in die Wälder Europas bisher deutlich unterschätzt wurden. Die Studie zeigt, dass etwa 2 bis 6 Prozent des reaktiven Stickstoffs aus der Luft in Lachgas umgewandelt werden, das aus dem Waldboden wieder in die Atmosphäre aufsteigt. Der Weltklimarat (IPCC) war bisher von einer Menge von nur etwa 1 Prozent ausgegangen.

Bezogen auf eine Waldfläche von 188 Millionen Hektar hat sich der Eintrag reaktiven Stickstoffs im Vergleich zum Jahr 1860 im Jahr 2000 um 1,5 Millionen Tonnen erhöht. Dies bedeutet eine Steigerung von etwa 8 Kilogramm reaktiven Stickstoff pro Hektar Wald. Die Ursache für den gestiegenen atmosphärischen Eintrag von reaktivem Stickstoff sind zum einen die landwirtschaftliche Düngung und damit verbundene Ammoniak-Emmissionen, zum anderen die Stickoxid-Emissionen durch Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber auch die Biomasseverbrennung.

Artenvielfalt verändert sich

Die Konsequenzen der chronisch erhöhten Einträge von reaktivem Stickstoff in Wälder sind neben den klimaschädlichen Lachgasemissionen aus den Waldböden unter anderem auch eine Veränderung der Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren und erhöhte Nitratausträge ins Wasser.

Bei der Vorstellung dieses Teils des ENA-Gutachtens in Edinburgh betonte Klaus Butterbach-Bahl vom Karlsruher Institut für Technologie: "Der atmosphärische Eintrag von reaktivem Stickstoff ist bei weitem zu hoch. Unsere Analyse zeigt, dass gravierende Reduktionen - besonders der Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft - erforderlich sind, um die Lachgasemissionen aus Waldböden zu reduzieren."

Die ENA Studie ist das erste Gutachten, das die vielfältigen Gefahren durch zu hohe Stickstoffeinträge mit ihren ökölogischen und ökonomischen Auswirkungen im gesamteuropäischen Kontext beschreibt, vor allem den Beitrag zum Klimawandel und zum Rückgang der Artenvielfalt. Die ENA Studie beschreibt zudem, welche Regionen in Europa besonders gefährdet sind und durch welche Maßnahmen die Risiken verringert werden können, um die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

Stickstoffemmssionen als zentrale Umweltherausforderungen

Zeitgleich mit der Vorstellung des ENA-Gutachtens publizierte das Wissenschaftsjournal Nature in ihrer kommenden Ausgabe (Nature 472, Seiten 159-161, 14. April, 2011) einen Kommentar des leitenden Editors Mark Sutton vom Centre for Ecology & Hydrology, Grossbritannien. Dieser Kommentar zeigt auf, warum die Verminderung von Stickstoffemissionen eines der zentralen Umweltherausforderungen des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist. "Dies ist ein herausragendes Ergebnis. Es zeigt, dass Stickstoffemissionen durch die Industrie und die Landwirtschaft in die Atmosphäre wesentlich größere Auswirkungen auf Lachgasemissionen aus Böden haben als bisher angenommen. Dieses Ergebnis liefert zusätzliche Argumente für die Rückführung der Emissionen von Stickstoffoxiden und Ammoniak, was entsprechend positive Auswirkungen für Klima, Luftqualität und Biodiversität hätte," so Sutton. (red)