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Schnitzel - fleischlos und nachhaltig: Das richtige Rezept dafür versuchen Forscher noch zu finden.

Foto: Archiv

Sei es aus gesundheitlichen oder moralischen Gründen: Immer mehr Menschen bekehren sich zum Vegetarismus. Laut einer Umfrage der Statistik Austria in den Jahren 2006/2007 ernähren sich 1,4 Prozent der österreichischen Männer und 3,9 Prozent der Frauen ohne Schnitzel, Grillhendl und Leberkäse.

In einem Land, dessen fleischlose Küche sich im Wesentlichen auf Beilagen und Mehlspeisen beschränkt, ist das nicht immer ganz einfach, wenn man trotzdem abwechslungsreich - und vielleicht auch noch schnell - essen will. Unter dem programmatischen Titel "LikeMeat" wird derzeit an der Wiener Universität für Bodenkultur an attraktiven Alternativen zu Fleisch geforscht.

Was derzeit schon auf dem Markt ist wie etwa die Sojaprodukte Tofu und Tempeh, wird zwar seit Jahrhunderten in Asien gegessen, hat aber bei uns kaum Tradition und erfreut sich nur sehr bedingter Beliebtheit. Das von der EU geförderte "LikeMeat" -Projekt zielt darauf ab, Klein- und Mittelbetrieben zu ermöglichen, stattdessen neue und bessere Produkte auf den Markt zu bringen.

Auf wissenschaftlicher Seite nehmen neben dem Institut für Lebensmittelwissenschaften der Boku auch noch das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising und die niederländische Universität Wageningen daran teil, auf Industrieseite elf Betriebe, darunter auch die bekannte Fleischhauerei Radatz.

Eiweißextraktion

"Es geht darum, den Klein- und Mittelbetrieben etwas Neues an die Hand zu geben, mit dem sie gegen die globalen Player bestehen können" , wie Projektleiter Konrad Domig von der Boku erklärt. "Die kleinen Unternehmen haben die pflanzlichen Eiweißalternativen marktfähig gemacht, und die großen haben die jetzt auch entdeckt."

Getestet werden in diesem Zusammenhang Proteine aus verschiedenen Pflanzen. "Besonders willkommen wären natürlich lokal anbaubare Proteinlieferanten wie Erbse oder Lupine" , führt Domig aus. Was aber wirklich infrage kommt, wird derzeit untersucht.

Zur Extraktion der Eiweiße werden die jeweiligen Samen geschält, gemahlen und mit Wasser versetzt. Eine wesentliche Rolle für die mögliche Eignung bestimmter Proteine als Fleischersatz spielt ihr Verhalten bei Erhitzung: Manche werden flüssig, andere fest, wieder andere gelförmig. Proteine, die geeignet erscheinen, kommen in einer nächsten Phase in den Extruder. Dabei wird eine Grundmasse unter extremem Druck und bei hohen Temperaturen durch ein Rohr gepresst und dabei intensiv gemischt und gekocht.

Während einer längeren Kühlphase entstehen bei der Kochextrusion Eiweißfasern. Diese komplexere Textur des Eiweißnahrungsmittels sowie der wesentlich höhere Wassergehalt unterscheiden diese Produkte von jenen der sogenannten Heißextrusion, bei der sich die Lebensmittel durch den schlagartig aus der überhitzen Masse entstehenden Wasserdampf aufblähen. Auf diese Weise werden unter anderem Cornflakes, Marshmallows, Erdnussflips und ähnliche Snackprodukte oder auch manche Knäckebrote erzeugt.

Im laufenden Projekt will man auf diese Weise Fasern erzeugen, die dem künftigen Produkt Struktur und "Biss" geben. Doch das allein macht noch keinen Schnitzel-Ersatz, deshalb widmen sich die Forscher im LikeMeat-Projekt zusätzlich der Entwicklung verschiedener Gewürzmarinaden oder auch der von den Österreichern so geschätzten Panier.

Haltbares für "Flexitarians"

Entsprechende Produkte könnten dann auch als Halbfabrikate in die Regale wandern. Apropos Regale: Natürlich wünscht sich der Handel nicht nur ein ansprechendes und wohlschmeckendes "LikeMeat" , sondern auch ein möglichst haltbares - wenn's leicht geht, ohne Kühlung. In diesem Zusammenhang nehmen die Lebensmitteltechnologen auch Mikroorganismen unter die Lupe, die den Fleischersatz verderben können.

Wie man die daraus entstehenden Produkte im Endeffekt an den Kunden bringt, ist noch offen: "Soll man das eher als Imitat oder als etwas Neues präsentieren?" , fragt sich Domig, auch wenn die Boku sich damit nicht herumschlagen muss. Sie ist zuständig dafür, das richtige Rezept zu finden und dabei auch die mikrobiologische Sicherheit und Haltbarkeit zu garantieren. Dabei soll "eines auf jeden Fall vegetarisch sein - wenn möglich, biologisch" , sagt Domig, "und ein zweites Milchproteine und Ähnliches einbeziehen." Und das Zielpublikum kennt man auch schon: Es sind in erster Linie die sogenannten "Flexitarians" , die weder beinharte Vegetarier noch ausgesprochene Fleischtiger, sondern Neuem gegenüber auch auf dem Ernährungssektor offen sind.

Eines steht jedenfalls fest: Ist die entsprechende Rezeptur einmal gefunden, ist die Technologie zu ihrer Erzeugung sowohl energiesparend als auch nachhaltig - ganz im Gegensatz zur Fleischproduktion: Für die Herstellung von einem Kilo Fleisch sind mindestens zwei Kilo Getreide oder Sojabohnen nötig, weshalb 35 Prozent des weltweit produzierten Getreides im Magen von Mastvieh landen.

Davon abgesehen, entstehen 18 Prozent der weltweit ausgestoßenen Klimagase durch die Tierhaltung. Und bis zum Jahr 2050 wird ein Anstieg der Weltbevölkerung von derzeit 6,9 auf 9,1 Milliarden Menschen prognostiziert - und zwar vorwiegend in den Entwicklungsländern, die mit höheren Einkommen künftig auch deutlich mehr Fleisch konsumieren dürften. Anlass, nach neuen Nahrungsmitteln zu suchen, gibt es also genug. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.04.2011)