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Gottfried Küssel hat viel Erfahrung mit Gerichten. Dieses Foto zeigt ihn 2008 im Wiener Landesgericht. Montagabend war der mutmaßliche Neonazi erneut festgenommen worden.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien/Graz/Linz/Klagenfurt - Die Wiener Staatsanwaltschaft beantragte am Mittwoch U-Haft für den Montagnacht im Zusammenhang mit der Neonazi-Seite Alpen-Donau.Info festgenommenen Gottfried Küssel. Die Entscheidung liegt nun beim Gericht. Einige Österreicher verfolgen das mit besonderem Interesse.

"Immer wird von Sicherheit geredet, aber dann sorgt man nicht um die Sicherheit jener, die von Leuten bedroht werden, die längst im Gefängnis sitzen sollten", ärgert sich Cengiz Kulac, der Grazer ÖH-Vorsitzende. Kulac meint jene Autoren, die über zwei Jahre hinweg ihre offen nationalsozialistische Ideologie in den Äther blasen durften und dabei andere antisemitisch, rassistisch und sexistisch beschimpften. Und bedrohten: Kulac ist einer von vielen, der mehrmals samt Foto und Adresse etwa als "ÖH-Tschusch" und "Neo-Österreicher" an den virtuellen Pranger gestellt wurden.

Dass er nie eine andere als die österreichische Staatsbürgerschaft hatte und hier geboren wurde, war den braunen Recken freilich egal. Seiner Familie aber war das alles nicht mehr egal, als man die Adresse online stellte. "Es gab eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, wir fühlten uns von der Republik allein gelassen", erzählt Kulac dem Standard. Dass es nun aus der Staatsanwaltschaft hieß, man hätte die Seite gerne noch länger beobachtet, um gegen die Täter ermitteln zu können, empfindet Kulac als "blanken, widerwärtigen Zynismus. In Wahrheit kann sich dieser Staat einfach nach wie vor nicht deutlich genug vom Nationalsozialismus abgrenzen."

Auch der Grünen-Nationalratsabgeordnete und Betreiber der Seite Stopptdierechten.at, Karl Öllinger, war ein gern beschimpfter "Stammgast" auf der Seite. Er fragt sich: "Wie lange hätte man die Seite denn noch beobachten mögen? Ein Jahr, zwei?"

Als 2009 dem mittlerweile zweimal rechtskräftig wegen Wiederbetätigung verurteilten Herbert Schweiger in Klagenfurt der Prozess gemacht wurde, war der Rechtsextreme Franz Radl, bei dem am Montag ebenfalls eine Hausdurchsuchung statt fand, im Saal und fotografierte. Auf Alpen-Donau. Info fanden sich wenig später ein Prozessbericht und Fotos. Ein Zeuge der Anklage wurde daraufhin bedroht. Was den Mann noch schlimmer traf: Man drohte ihm auch subtil damit, dass man sein minderjähriges Kind kenne. Fotos vom eigenen Kind bekam auch ein Oberösterreicher zugeschickt, der sich auf Facebook gegen Alpen-Donau.Info stark gemacht hatte. Der Linzer Polizist Uwe Sailer, der in der Neonazi-Szene recherchierte, wurde nicht nur schwer bedroht, man schickte ihm auch einen Strick.

"Wirklich beschämend"

Auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die ihre Gesichter und Namen auf der Seite wiederfanden, haben kein Verständnis dafür, wie lange Alpen-Donau.Info online blieb. Die Wiener Journalistin Alexia Weiss wurde auf der Neonazi-Seite nicht nur beschimpft, es wurde sogar in ihrem Namen ein Blog eröffnet, der mit Beiträgen der Neonazi-Seite gefüttert wurde. Weiss betont im Standard: "Mein Wunsch war es in dieser ganzen Zeit, dass die Seite - mit welchen Mitteln auch immer - abgedreht wird. Sie aus kriminaltaktischen Gründen weiterlaufen zu lassen, das wäre doch wirklich beschämend gewesen."

Auch Weiss erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung kontaktierte sie erst nach eineinhalb Jahren. Dass sie in Gefahr war, wusste sie da bereits selbst. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.4.2011)