"Wir müssen uns als Volkspartei neu orientieren, das halte ich für notwendig", so Michael Spindelegger gegenüber dem STANDARD.

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STANDARD: Soll man Ihnen zu Ihrer neuen Aufgabe als ÖVP-Chef gratulieren oder muss man Ihnen Beileid aussprechen?

Spindelegger: Diese Frage kann man stellen. Ich sehe es aber sehr positiv. Das Entscheidende ist aus meiner Sicht, dass man in dieser Position Politik sehr stark gestalten kann. Das ist die faszinierende Seite der Politik. Darum freue ich mich über jede Gratulation.

STANDARD: Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen?

Spindelegger: Ich habe es mir gründlich überlegt, sofern man bei diesem Zeitrahmen von „gründlich" sprechen kann. Es war ja nicht all zu viel Zeit. Ich habe am Mittwoch in der Früh erfahren, dass der Josef alles zurücklegen wird. Am späten Nachmittag habe ich mich dann entschieden, Ja zu dieser neuen Aufgabe zu sagen.

STANDARD: Wie umfangreich wird denn der Umbau, den Sie in der Regierung, im Klub und in der Partei vorhaben, ausfallen?

Spindelegger: Groß und umfangreich. Für einen glaubwürdigen Neustart der ÖVP besteht auch im Regierungsteam die Notwendigkeit, dass wir mit den besten Köpfen in die Richtung dieser nächsten zwei Jahre gehen. Ich habe das auch gesagt, ich werde mir das vorbehalten, hier meine Akzente zu setzen. Das wurde im Parteivorstand auch akzeptiert, und darum wird das ein solides Paket.

STANDARD: Sie wollen Ihr Team erst nach Ostern präsentieren. Können Sie dennoch jetzt schon verraten, ob Sie sich einen Staatssekretär zur Seite stellen werden, um der Dreifachbelastung als Parteichef, Vizekanzler und Minister besser zu begegnen?

Spindelegger: Das auf jeden Fall. Ich werde einen Staatssekretär haben, so wie auch der Bundeskanzler einen hat. Das ist unbedingt notwendig, ganz egal, welches Ressort ich führe.

STANDARD: Ist es denn nicht klar, dass Sie Außenminister bleiben? Kommt tatsächlich ein Ressortwechsel in Frage?

Spindelegger: Ich werde mir das gründlich überlegen. Ich habe verschiedene Überlegungen und werde das jetzt zügig angehen.

STANDARD: Wird es neben dem personellen Umbau auch einen ideologischen Umbau in der Partei geben, eine inhaltliche Neuausrichtung der ÖVP?

Spindelegger: Wir müssen uns als Volkspartei neu orientieren, das halte ich für notwendig. Ich möchte dazu ab der Woche nach Ostern eine Tour durch Österreich machen. Auf der möchte ich auch hören, was unsere Funktionäre, unsere Landeshauptleute, unsere Spitzenmandatare sagen und erwarten. Aus dem und aus meinen Vorstellungen heraus möchte ich am Parteitag entwickeln, in welche Richtung es inhaltlich geht.

STANDARD: Sie haben den Stillstand angesprochen, den finden Sie zum Teil auch beim Koalitionspartner. Werden Sie den Druck auf die SPÖ und auf den Kanzler erhöhen, um Reformen in Schwung zu bringen?

Spindelegger: Ich habe mit dem Bundeskanzler Faymann vereinbart, dass wir uns in der nächsten Woche sehr ausgiebig zusammensetzen, um zu besprechen, was jeder will. Jeder soll das auf den Tisch legen. Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg finden, wie wir die Regierungszusammenarbeit unter diesen neuen Konstellation gestalten.

STANDARD: Was ist inhaltlich die dringendste Aufgabe auf Regierungsebene?

Spindelegger: Wir haben eine ganze Reihe von Eisen im Feuer. Wir haben die Wehrpflichtdebatte, die auch zumindest geführt gehört.

STANDARD: Ist hier eine Lösung in Sicht?

Spindelegger: Wir werden sehen. Wir haben uns schon einmal geeinigt, was die Größenordnungen betrifft, beim Katastrophenschutz, aber auch bei den Auslandseinsätzen. Das sind ja hoffnungsvolle Anzeichen, dass man vielleicht auch in der Frage Wehrpflicht Ja oder Nein gemeinsam eine Lösung finden wird. Ich würde es jedenfalls anstreben. Bei der Bildung haben wir schon einiges miteinander bewerkstelligt, aber das gehört jetzt auch finalisiert. Aber was wir da alles tun werden, da bitte ich auch um Verständnis, das möchte ich zuerst mit dem Bundeskanzler besprechen.

STANDARD: Was werden Sie tun, um nicht das nächste Opfer der Spitzenpolitik zu werden?

Spindelegger: Viel arbeiten, aber auch Freiraum haben für meine Gesundheit, für Bewegung und Sport und natürlich auch für meine Familie. Das ist ganz wichtig. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 15.4.2011)