Sellrain/Wien - Der Bürgermeister will den Missbrauchsvorwürfen gegen "seinen" Ortspfarrer auch diesmal keinen Glauben schenken: "Das ist ein Bruderzwist im Klerus, eine Intrige", sagte Norbert Jordan, Ortschef von Sellrain im Tiroler Oberland zum Standard.

Tatsächlich haben sich aber bereits zum dritten Mal ehemalige Ministranten des Geistlichen gemeldet: Der sich im Pensionsalter befindliche, aber noch aktive Pfarrer habe sich in den 1970er- und 1980er-Jahren übergriffig gegen sie verhalten. "Ein Betroffener ist vor einigen Wochen in Kontakt mit uns getreten. Derzeit läuft ein Prüfverfahren wegen Entschädigung und Therapie", schilderte am Montag Herwig Hösele, Sprecher der "Unabhängigen Opferschutzkommission" der Erzdiözese Wien.

Geistlicher gegen Motorradfahrer

Dass der Pfarrer, der ihn in seiner Kindheit belästigt haben soll, am Ort des Geschehens nach wie vor Pfarrer ist, wurde dem Mann im heurigen März anhand eines Zeitungsartikels klar. In dem Bericht wurden Ort und abgekürzter Name des zu einer Geldstrafe verurteilten Geistlichen erwähnt. Er war mit einem Motorradfahrer um die Reihenfolgen beim Tanken in Streit geraten, dabei fiel das Motorrad um und wurde beschädigt.

Erste Gewalt- und Missbrauchsanschuldigungen gegen den Sellrainer Geistlichen waren dessen Vorgesetztem, dem Abt des Stiftes Wilten Raimund Schreier, bereits 2001 zu Ohren gekommen: Drei Betroffene meldeten sich, nach einer Entschuldigung blieb der Pfarrer im Amt. Gleich zehn Betroffene rührten sich 2003. Die "sexuellen Übergriffe" seien ihm jetzt zur "moralischen Gewissheit geworden", sagte Schreier nun und suspendierte den Mann.

Doch bereits 2004 kehrte dieser ins Amt zurück - und weitete 2007 seine seelsorgerische Tätigkeit sogar auf zwei zusätzliche Gemeinden aus. Während der Suspendierung habe der Pfarrer eine Therapie gemacht, erklärt das Schreier jetzt. (bri, DER STANDARD-Printausgabe, 19.4.2011)