LA Noire wird am 20. Mai für PS3 und Xbox 360 erscheinen

Foto: Rockstar Games

Es ist das Jahr 1947. Los Angeles befindet sich im wirtschaftlichen Aufschwung, Hollywood bringt mehr Sternchen hervor, als der noch smogfreie Himmel tragen kann. Showbiz und Glamour zeigen allerdings nur die halbe Wahrheit. Zu tausenden kehren GIs aus den Schützengräben des Zweiten Weltkriegs zurück und versuchen irgendwo zwischen Kulissenidylle und Trauma ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Korruption schwächt wie eine in Krankheit die Polizeigewalt, während die Verbrechensrate ein neues Rekordniveau ansteuert.

Als dekorierter Kriegsheld Cole Phelps bemüht man sich unter dem Wappen des LAPDs die (doch nicht ganz so tadellose) Soldatenvergangenheit hinter sich zu lassen. In der blau schimmernden Uniform der Streifenpolizisten bahnt man eine Karriere als Detektive an und wagt sich mit der Zielstrebigkeit der juvenilen Naivität in den Sumpf des Verbrechens.

Die Stadt der Engel

Wie es sich in der Haut eines jungen Polizisten in der gefährlichsten Stadt der USA Ende der 40er-Jahre anfühlt, hat Entwickler Team Bondi mit einer Mischung aus Realismus und Genremix versucht zu beantworten, der sich in aller Knappheit am besten als Symbiose aus dem Thriller "Heavy Rain" und dem Gangsterleben in "Grand Theft Auto" beschreiben lässt. Das äußert sich in einer frei begeh- und befahrbaren, zu etwa 90 Prozent authentischen Nachbildung des noch Autobahn losen LAs und dem glaubwürdig installierten Aufgabenbereich eines Ermittlers. Die aus GTA bekannten Ballerorgien und überzeichneten Unsittlichkeiten sind Schlüsselelementen eines Polizeikrimis gewichen. Phelps untersucht Tatorte, sammelt Beweise und verhört Zeugen. Geht es heiß her, wird schon mal das Gaspedal durchgedrückt und zur Waffe gegriffen, einen Revolverhelden mimt man aber nicht.

Die stärkste Waffe eines Cops ist der Verstand

Über 20 abgeschlossene, durch einen roten Faden erzählerisch umwobene Fälle begleitet man Phelps bei Festnahmen von Autodieben bis hin zur Jagd eines Serienmörders und klettert im Angesicht historischer Schreckenstaten langsam die Karriereleiter hoch. Authentizität wurde durch die Anlehnung an reale Kriminalfälle der Zeit (wie etwa "Black Dahlia") und die Inszenierung mit Hilfe von rund 400 Schauspielern erreicht, deren Gesichter und Mimiken 1:1 mit Hilfe der MotionScan-Technologie digitalisiert wurden. Tatorte werden nach Beweismitteln abgegraben, Opfer auf Auffälligkeiten untersucht und Verdächtige mit Hilfe von Beweisen und anhand deren verräterischer Gesichtsregungen beim Lügen ertappt. Aussagen, sachdienliche Hinweise und Schlüsselorte werden im Notizbuch vermerkt und komplettieren auf diese Weise allmählich das dargebotene Puzzle. Zwar hilft einem das Spiel etwa beim Auffinden wesentlicher Hinweise, allerdings liegen aufmerksame Beobachter und sorgsame Kombinierer bei der Lösung eines Falles klar im Vorteil. Nicht zuletzt muss man sich beim Abschluss einer Akte der Beurteilung stellen.

Eine Frage der Details

Die Umsetzung dieses Sündenminimundus lebt den ersten Stunden des Anspielens nach einerseits von dem aus GTA übernommenen, eingängigen Gameplay samt Steuerung und andererseits vom Schauspieltalent der Akteure sowie von den zahllosen Details, die in die Illusion einer Zeitreise einlullen. Gesetzeshüter und Zivilisten schenken sich beim Schlagabtausch - ob verbal oder physisch - wenig. Phelps Partner bei der Streife gibt den Arbeitsscheuen, der Kollege vom Morddezernat ist anfangs mürrisch, befragte Nachbarn erweisen sich schon einmal als humorvoll und die alte, vertrauenswürdig erscheinende Hausbesitzerin vor dem Kamin ist dann doch kein ganz ehrlicher Charakter. Im perfekten Einklang damit lassen Charakteristika der Zeit Raum zum Schmunzeln: Leiche wie Mordwaffe werden ohne Handschuhe untersucht, sanfter Jazz trällert aus der Jukebox in der Absteige. Und wer nicht genug vom Fälle lösen bekommt kann beruhigt werden: Neben dem gut 20 Stunden dauernden Hauptakt bieten sich über 40 Nebenmissionen für den Zeitvertreib an.

Ausblick: Endlich etwas anderes

Mit dem Fokus auf Ermittlung anstelle von Action scheint Team Bondi mit "LA Noire" unter dem Dach des "GTA"-Erfinders Rockstar Games eine tatsächlich frische Herangehensweise an das Open-World-Genre gefunden zu haben. Kriminalfälle vorrangig mit Kopf und Intuition zu lösen, anstatt immer gleich zum Revolver zu greifen mag mit den Augen der Realität betrachtet offensichtlich erscheinen. In der Welt der Videospiele bahnt sich damit neben revolutionären Ausnahmeerscheinungen wie "Heavy Rain" aber ein weiterer innovativer Meilenstein an. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 19.4.2011)

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