Seit die EU 2007 ihre Stilllegungsregelung für landwirtschaftliche Flächen aufhob, schwinden unbewirtschaftete Zonen - und damit die Vogelvielfalt.

Foto: Barbara Lukasch

Felder, fast so weit das Auge reicht, dazwischen einige Hecken, moderne Windmühlen und ein paar Wäldchen: Die Landschaft rund um den Ort Prellenkirchen im Osten Niederösterreichs zwischen Parndorfer Platte und Hundsheimer Bergen mutet nicht gerade spektakulär an. Aus Sicht des Naturschutzes dagegen hat die Agrarsteppe durchaus einiges zu bieten. Manche Äcker wurden schon seit Jahren sich selbst überlassen. Nun gedeihen dort wilde Wiesen und Staudenvegetation. Zusammen mit den Gehölzen bieten sie zahlreichen Tierarten geeignete Lebensräume.

Doch die Region befindet sich im Umbruch - buchstäblich. Seit die EU 2007 ihre Stilllegungsregelung für landwirtschaftliche Flächen aufhob, nehmen immer mehr Bauern ehemals unbewirtschaftete Parzellen wieder unter den Pflug. Auch rund um Prellenkirchen. Der ökologische Wert des Gebiets könnte darunter leiden.

Experten wie der Biologe Thomas Frank von der Wiener Universität für Bodenkultur beobachten die Entwicklung deshalb mit Sorge. "Jetzt verschwinden die Brachen zunehmend", berichtet Frank. Die Böden sind am Nordrand der Parndorfer Platte ziemlich fruchtbar, und für viele Feldfrüchte ist die Nachfrage erheblich gestiegen, unter anderem wegen der vermehrten Produktion von sogenanntem Biosprit.

Nachhaltig bewirtschaftet

Wie stark sich der intensivierte Anbau ökologisch auswirken wird, ist indes noch unklar. 2005 führte Thomas Franks Kollege Christian Schulze in der Prellenkirchener Agrarlandschaft zum ersten Mal eine großangelegte Erfassung der Vogelfauna durch. Insgesamt 85 verschiedene Arten konnte der Wissenschafter nachweisen, darunter Allerweltsspezies wie Amsel und Krähe, aber auch den seltenen Schwarzstorch und den Wespenbussard. Von den 24 Indikator-Arten für nachhaltig bewirtschaftetes Kulturland waren 20 vorhanden. Der Anteil der Brachflächen im Gebiet lag damals noch bei gut 15 Prozent.

Bei der zweiten Erfassung im Frühling 2009 hatte sich einiges geändert. "Das war eigentlich ziemlich traurig", sagt die Agrarbiologin Barbara Lukasch. Der Brachland-Anteil war auf 9,69 Prozent geschrumpft. Wo vorhin artenreiche Vegetation gedieh, blühte jetzt vor allem Raps. Aber es gab auch eine positive Überraschung: Unter den Vögeln war kein negativer Trend zu verzeichnen. Diesmal wiesen die Forscher sogar 87 verschiedene Spezies nach, und wiederum 20 aus dem Kulturland-Index.

Verzögerte Reaktionen

Von denen konnte zwar die Wacholderdrossel nicht mehr beobachtet werden, doch dafür sahen die Experten erstmals den seltenen Wendehals. "Es ist bemerkenswert, wie viele Vogelarten es in diesem Gebiet gibt, beeindruckend", schwärmt Barbara Lukasch. Die detaillierten Studienergebnisse haben Lukasch, Frank und Schulze neulich im internationalen Fachblatt Biodiversity and Conservation (Online-Vorabveröffentlichung) publiziert. Das Schwinden der Brachen hatte also zumindest 2009 noch keine wesentlichen Auswirkungen auf die Vogelwelt gehabt. Laut den Wiener Wissenschaftern gibt es hierfür zwei mögliche Erklärungen. Denkbar sei, dass die Populationen zeitverzögert auf die Veränderungen reagieren. Rückgänge würden dann erst nach mehreren Jahren eintreten. Oder der Anteil an unbewirtschaftetem Land war noch groß genug, um den Tieren ausreichend Lebensraum zu bieten. Fachleute empfehlen, mindestens zehn Prozent der Flächen in einer Agrarlandschaft brachliegen zu lassen. Nur dann können Arten wie Rebhuhn und Wachtel langfristig überleben.

Für anspruchsvolle Spezies wie die Grauammer ist das schon zu wenig. In den kommenden Jahren soll eine dritte Erhebung im Gebiet um Prellenkirchen weitere Daten liefern. Derweil schreitet die Intensivierung der Landwirtschaft fort, im Untersuchungsgebiet wie in ganz Österreich. Bundesweit liegt der Brachland-Anteil bereits unter vier Prozent. Produktivität ist nicht alles, betont Thomas Frank. "Wir haben auch den Auftrag, den Rückgang der Biodiversität zu stoppen." (Kurt de Swaaf , DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. April 2011)