Die letzten Strahlen der Sonne schwanden, der Himmel färbte sich schwarz über der hell beleuchteten Stadionanlage auf der Hohen Warte. 2700 Zuseher - darunter rund 150 mitgereiste Obersteirer – zeigten sich über die Nachrichten aus der Generali-Arena erst ungläubig, dann belustigt. Vor Ort erwarteten sie einen Pokal-Clash  zwischen dem First Vienna FC 1984 (möglicher Nicht-Absteiger aus der zweiten Liga) und dem Kapfenberger SV (souveräner Nicht-Absteiger der Bundesliga). Es ging um den Halbfinaleinzug.

Aus beiden Lagern war vorsichtiger Optimismus zu vernehmen. Unlösbar schien die Aufgabe aus keiner Perspektive. Der KSV hatte zuletzt einige gute Leistungen in der Meisterschaft gezeigt, die Vienna ist im Frühjahr eine andere. Zudem waren die Döblinger vollzählig am Start, während der Bundesligist Stürmer-Talent Deni Alar und Boris Hüttenbrenner gesperrt vorgeben musste. Die Rückkehr von Srdan Pavlov als Angreifer in der Startelf war die Folge.

Vorsicht ist die Mutter der gähnenden Zuseher

Beide Teams starteten vorsichtig in das Match, das auf dem sichtbar vom Football mitgenommenen Feld zu keinem Zeitpunkt spielerische Klasse bot. Technische Fehler und schlecht platzierte Pässe prägten das Bild - viele Fouls und unbefriedigend ausgeführte Standardsituationen rundeten es ab, von einem zeitweise zu großzügigen Schiedsrichter Thomas Prammer geleitet.

Es war das Heimteam, das zumindest mehr Tendenz zum Spielaufbau zeigte. Die erste echte Torchance konnten die Gelb-Blauen aber auch erst in der 19. Minute erarbeiten. Nach einem Steilpass von Aleksandar Stanislavljevic auf Philipp Hosiner tanzte der seinen verbleibenden Gegenspieler aus, setzte aber den Ball am langen Eck vorbei. Einige Minuten zuvor gab es Aufregung im Kapfenberger Lager: Bei einem Zweikampf im Strafraum ging Lukas Stadler zu Boden. Der Wunsch nach einem Elfmeterpfiff blieb unerfüllt. Nach einer unzureichend geklärten Freistoß-Flanke war ein Distanzschuss von eben jenem Stadler (25.) das erste tatsächliche Lebenszeichen der Falken.

Kurzer Szenenreichtum

Mit einer halben Stunde auf der Spieluhr wachte die Partie vorrübergehend auf. Ein schön vorgetragener Angriff über die rechte Seite der Vienna scheiterte bei der Flanke am Not-Eingriff des letzten KSV-Verteidigers (29.). Nach der dazugehörigen Ecke traf ein Schusss von Marjan Markovic das Tor von Raphael Wolf um mehrere Meter nicht. Im Gegenzug konnte Lukse gegen einen allein heranstürmenden Steirer kühlen Kopf bewahren – ein Klärungsversuch der Abwehr war zuvor nach hinten losgegangen. Bei einer Freistoßflanke im nächsten Gegenangriff kam Ernst Dospel im Kapfenberg-Strafraum an den Ball, verfehlte mit seinem Drehschuss aber den Kasten (31.). Beim Gegenanriff verjubelte Dieter Elsneg alleinstehend die Chance auf das Tor.

Dann war erstmal Schluss mit Torszenen. Erst kurz vor der Pause gab es dann noch drei weitere der Gastgeber. Eldar Topics Schuss wurde abgeblockt (43.). Der darauffolgende löste Corner zwar einen Jubelschrei im Stadion aus (er hatte das Außenkreuz getroffen), faktisch fand diese Flanke aber wie so viele andere schlicht ihr Ziel nicht. Mit der letzten Aktion vor der Kabinenpredigt zeigte der starke Wolfgang Mair einen seiner schnellen Vorstöße über rechts, auch dieser Querpass wurde aber abgeblockt.

Effektive Kapfenberger

Das Bild änderte sich nach der Halbzeit kaum. Kampf, defensive Disziplin auf engem Raum und zufallsdominierte, konterorientierte Offensive prägten über weite Strecken die Partie. Die Vienna war weiterhin bemühter und besser. Rade Djokic scheiterte jedoch bei einer guten Möglichkeit an der Ballannahme (50.). Werner Gregoritsch brachte kurz vor der fertigen Stunde Sohn Michael für den farblosen Elsneg. Zwei Minuten später traf die Vienna mit einer Ecke tatsächlich den Strafraum, dort aber per Kopf nur knapp über das Tor. Und in der 63. Minute lenkte Wolf einen Freistoß bravourös über die Latte.

Die Kapfenberger konnten als Bundesligist keine Chancen erzeugen. Umso überraschender kam ihre Führung. Pavlov hämmerte nach gelungenem Spielzug den geschockten Ball zum hübschen 1:0 ins Kreuzeck. Das Spiel wurde dadurch keineswegs besser. Werner Gregoritsch wechselte ein zweites Mal, nahm Markus Felfernig vom Platz, der unmittelbar davor erstmals mit einer Flanke in Erscheinung trat (am versuchten Seitfallzieher-Kunstschuss scheiterte sein Mannschaftskollege in der Mitte aber) um Philipp Wendler zu bringen.

Wolf rettete bei einem Querpass von Stanislavljevic - der nicht oft zur Geltung kam, weil sein Gegenspieler Makhmadnaim Sharifi die beste Leistung am Platz zeigte (er setzte auch den entscheidenden Pass auf Pavlov beim ersten Tor). Dem Querpass vorausgegangen war chaotische Uneinigkeit in der Kapfenberger Hintermannschaft - sie bereitete die Aktion unfreiwillig selbst vor. Werner Gregoritsch gab mit einem lauten Schrei zu verstehen, dass er von seiner Abwehr erwartete "RUUUHIIGEER!" zu agieren.

Turbulente Schlussphase 

Bei einem Freistoß in der 76. Minute köpfelte Djokic über die Latte. Mehrere erstickte Torschreie starben im Mehrheitspublikum eine Minute später einen jähen Tod, als ein weiterer Freistoß und ein Gestochere im Strafraum den Vienna-Angriff zwar bis zur KSV-Linie führte, aber nicht darüber hinaus. Kapfenberg beschränkte sich auf  Konter, kam bei einem Eckball (81.) zu einem erfolglosen Kopfball. Beim folgenden Abstoß spielten die Döblinger den Ball einfach zu Gegenspieler Pavlov, dessen sofortiger Schuss aus 40 Metern zwar ins Seitenaus ging, wenigstens aber nicht das eigene Tor gefährdete - eine Horrorszene für fußballerische Gourmets, auf die das Spiel aber doch logisch zusteuerte.

Die Vienna warf alles nach vorne. Es kam Patrick Kienzl für Mario Kröpfl. In der 85. Minute brachten die Gastgeber eine sehenswerte Angriffsaktion zustande, die zu einer Mair-Flanke führte. Einer seiner Mitspieler fiel in der Mitte zu Boden, eine Elferpfiff ertönte aber auch hier noch nicht. Kurz vor seiner Auswechslung jagte im Gegenzug Pavlov (88.) den Ball nach einer Zufallsaktion über das Tor.

Dann gab es doch noch Elfmeter. Erdzan Beciri spielte einen hohen Ball auf Hosiner, der im Strafraum zu Fall gebracht wurde. Tomas Welnicki sah für die Notbremse Gelb-Rot und 2700 Zuseher auf der hohen Warte eine vielversprechende und verdiente Verlängerung für ihr Team kommen. Djokic trat an, zitterte den Ball Richtung Tor, wo Wolf seinen Schuss und Nachschuss parierte. Im Konter über Michael Gregoritsch sorgte der eingewechselte Wendler für die Entscheidung.

Die Vienna kann sich nun auf den Klassenerhalt konzentrieren. Für Kapfenberg geht eine durchaus erfolgreiche Saison mit dem Traum eines Überraschungscoups im Cup weiter. (tsc, derStandard.at, 19.4.2011)

ÖFB-Cup-Viertelfinale:
First Vienna FC - Kapfenberger SV 0:2 (0:0). Wien, Stadion Hohe Warte, 2.700, SR Prammer

Tore: 0:1 (65.) Pavlov, 0:2 (93.) Wendler

Vienna: Lukse - Salvatore, Beciri, Dospel, M. Kröpfl (81. Kienzl)- Mair, Markovic, Topic, Stanisavljevic - Hosiner, Djokic

Kapfenberg: R. Wolf - Scharifi, Mavric, Schönberger, Welnicki - Stadler, Fukal, Sencar, Felfernig (71. Wendler) - Elsneg (57. Gregoritsch), Pavlov (88. Erkinger)

Gelb-Rote Karte: Welnicki (91.)

Gelbe Karten: Hosiner, Kröpfl bzw. Scharifi, Felfernig, Sencar