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Foto: Reuters/ GUANG NIU

Peking - Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Zweifel an den chinesischen Zahlen zur lebensgefährlichen Lungenkrankheit SARS.

Vor allem im schwer betroffenen Peking kämen falsche Klassifizierungen von Patienten vor, sagte WHO-Sprecherin Mangai Balasegaram am Freitag in der chinesischen Hauptstadt. Dadurch tauchten weniger Fälle des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (SARS) in der täglich aktualisierten Statistik auf. "Wir mahnen zur Vorsicht bei der Folgerung, dass die Entwicklung in Peking rückläufig ist."

Die falschen Klassifizierungen geschähen vermutlich nicht absichtlich, betonte die WHO-Sprecherin. Es gebe "Verwirrung" über die neu gemeldeten Erkrankungen und die Verdachtsfälle sowie die unbekannte Zahl von Bürgern "unter medizinischer Beobachtung". WHO-Experten in Peking berieten am Freitag über das nach ihrer Darstellung landesweit auftretende Problem.

Falldefinition und der klinische Einstufung

Die Schwierigkeit liegt nach Expertenschilderung in der Falldefinition und der klinische Einstufung von Patienten. Einige milde Krankheitsverläufe werden demnach nicht korrekt als SARS-Fälle gewertet. Auch ist nicht klar, unter welchen Umständen Patienten nur "unter Beobachtung" stehen. So komme es vor, dass ein Patient mit SARS-Symptomen wie Fieber und Lungenentzündung vor der eindeutigen Diagnose nicht mal als Verdachtsfall klassifiziert werde.

Das Gesundheitsministerium meldete am Freitag mit landesweit 39 neuen SARS-Fällen den niedrigsten Anstieg seit Beginn der Tagesberichte vor fast vier Wochen. Vier Patienten starben, davon einer in Peking. In der Hauptstadt stieg die Zahl der registrierten SARS-Patienten um 28 auf 2405. Landesweit (ohne Hongkong) sind in China bisher 5.191 SARS-Fälle bekannt. Zusätzlich gibt es 2.173 Verdachtsfälle.

9000 Menschen in China unter Quarantäne

Nach der Androhung hoher Haftstrafen für Verstöße gegen Quarantäne und sogar der Todesstrafe bei einer absichtlichen und folgenschweren Verbreitung der Krankheit durch Chinas Justiz mahnte die WHO-Sprecherin zur Rücksicht. "Wir wollen die Menschen mit SARS nicht brandmarken, weil sie sich sonst nicht in medizinische Behandlung begeben." Derzeit stehen in China knapp 9.000 Menschen unter Quarantäne, weil sie Kontakt zu SARS-Patienten und Verdachtsfällen hatten.

Kontrolle

Die Flughäfen in Asien einigten sich unterdessen auf einheitliche Gesundheitskontrollen bei Fluggästen. Die ASEAN-Staten, China, Japan und Südkorea wollen bis 15. Juni einen standardisierten Fragebogen für alle ausreisenden Passagiere einführen. Spätestens ab dem 15. August soll vor dem Abflug bei allen Passagieren die Körpertemperatur gemessen werden, bei der Landung werden nur Reisende aus besonders betroffenen Regionen kontrolliert. Passagiere mit Symptomen sollen unter Quarantäne gestellt werden.

Verdacht der Verbreitung über Abflussrohre

Die WHO bestätigte am Freitag auch den Verdacht, dass SARS auch über Abflussrohre verbreitet werden kann. Dies sei in der Hongkonger Wohnanlage Amoy Gardens geschehen, wo binnen weniger Tage über 300 Menschen erkrankt waren. In anderen Gebäuden sei ein Ausbruch dieser Größenordnung jedoch unwahrscheinlich, sagte der Leiter der WHO-Untersuchung, Heinz Feldmann. In Amoy Gardens lag eine unglückliche Kombination von Umständen vor: Undichte Abflussrohre, zugige Luftschächte und ein Patient mit Durchfall.

Experten ist unterdessen immer noch nicht restlos klar, wie sich das Virus verbreitet. Bei mehr als der Hälfte der neu berichteten Fälle kann kein Kontakt zu einem SARS-Erkrankten nachgewiesen werden. Die Tageszeitung "China Daily" berichtete über Vermutungen von Experten, dass einige Infizierte möglicherweise ansteckend sein könnten, ohne selbst Symptome zu zeigen. Allerdings gebe es dafür noch keine Beweise.

Hongkong meldete am Freitag mit nur drei neuen SARS-Fällen ebenfalls den niedrigsten Anstieg seit Beginn der Tagesberichte im März. Doch starben auch dort wieder vier Patienten. Hongkong hat bisher 1.706 SARS-Fälle und 238 Tote verzeichnet. Der Rückgang weckt Hoffnung auf eine Aufhebung der Reisewarnung der WHO. Doch dafür muss zunächst die Zahl der SARS-Krankenhauspatienten von derzeit 232 auf 60 fallen. (APA)