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Italiens Atomkraftgegner – im Bild eine Demonstration vom vergangenen Herbst – haben einen Etappensieg errungen: Doch hinter dem AKW-Ausstieg könnte politisches Kalkül stehen.

Foto: Reuters / Alessandro Bianchi

Doch der Ministerpräsident denkt nicht plötzlich grün, sondern er versucht über Umwege eine brisante Volksabstimmung auszuhebeln.

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"Atomkraft? Nein danke!" Dass sich Silvio Berlusconi die Slogans der von ihm verabscheuten Umweltschützer aneignen könnte, galt bisher auch profunden Kennern der politischen Wirrnisse Italiens als undenkbar. Dennoch: Knapp zwei Jahre nach seiner medienträchtigen, umstrittenen Ankündigung zum Wiedereinstieg Italiens in die Atomkraft hat der Premier die Notbremse gezogen.

Zum Unterschied von anderen Ländern hat die überraschende Entscheidung mit dem "Fukushima-Schock" wenig zu tun. Ausgerechnet Umweltministerin Stefania Prestigiacomo hatte nach dem japanischen Desaster "zynischen Forderungen" nach einem Ausstieg aus den AKW-Plänen noch eine deutliche Absage erteilt. Ein einjähriges Moratorium sollte bloß "der vertieften Beschäftigung mit Sicherheitsfragen" dienen. Plötzlich gab sich Industrieminister Paolo Romani am Mittwoch im Senat als Anhänger erneuerbarer Energieformen zu erkennen. Doch mit Sachproblemen, spottete der Corriere della Sera, habe die Entscheidung der Regierung "so wenig zu tun wie der Teufel mit dem Weihwasser" .

Politisches Manöver ...

Ausschlaggebend für den Rückzieher ist eine für Juni anberaumte Volksabstimmung über den Bau neuer Kernreaktoren, die mit zwei weiteren Referenden gekoppelt ist: In dem einem sollen sich die Bürger zu Berlusconis Immunitätsregelung äußern, die vom Verfassungsgericht nur teilweise aufgehoben wurde. Brisant. Die andere gilt der Privatisierung des Trinkwassers. Eher harmlos. Statt die Urnengänge mit anderen regulären Wahlen zusammenzulegen und so 300 Millionen Euro zu sparen, schob die Regierung die ungeliebten Referenden auf den letztmöglichen Termin am 12. Juni - in der Hoffnung, die Wähler könnten sich von Strand und Meer eher locken lassen als von den Wahlurnen.

Berlusconi rechnete damit, dass erstens die Zustimmung zu den AKW-Plänen höher ausfallen und dass zweitens das nötige Quorum von 50 Prozent aller Wähler ohnehin nicht erreicht würde. Damit wäre das Referendum ungültig, was durchaus in seinem Sinne wäre. Doch eine Umfrage offenbarte für Berlusconi alarmierende Zahlen: 60 Prozent aller Italiener bekundeten die Absicht, sich am Atom-Referendum zu beteiligen. Und 70 Prozent sprachen sich gegen den Bau neuer Reaktoren aus.

... für persönlichen Vorteil

Hastig entschied sich Berlusconi für den Ausstieg, denn nichts fürchtet der um seine Macht kämpfende Premier mehr als ein Plebiszit gegen seine Person: Ein Denkzettel in der AKW-Frage könnte durchaus mit einer Abfuhr bei der angestrebten Immunitätsregelung gekoppelt werden.

Nun muss der Oberste Gerichtshof entscheiden, ob das Referendum durch das am Mittwoch genehmigte Gesetz überflüssig wird. Die Opposition spricht bereits von einem "miesen Trick": Nach Annullierung der Volksabstimmung könne die Regierung ihre Atompläne nämlich wieder aus der Schublade holen. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2011)