Stuttgart - Grüne und SPD im deutschen Bundesland Baden-Württemberg haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 geeinigt und damit den zentralen Stolperstein der Koalitionsverhandlungen aus dem Weg geräumt. Beide Parteien beschlossen am Mittwoch die im Wahlkampf versprochene Volksabstimmung über das Milliarden-Projekt. Allerdings sollen zuvor die Hürden für einen erfolgreichen Volksentscheid gesenkt werden. Bis Oktober soll die Abstimmung erfolgen. Bis dahin forderten der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und SPD-Verhandlungsführer Nils Schmid einen Baustopp. Die Bahn hat bisher zugestanden, die Arbeiten bis zum Regierungswechsel im Mai ruhen zu lassen.

Falls es keine Mehrheit in der Bevölkerung für einen Ausstieg geben werde, würden dies die Grünen akzeptieren, sagte Kretschmann. Ziel sei es, zu einer befriedenden Lösung zu kommen, erklärte Schmid. Seit über einem ein Jahr kommt es immer wieder zu Kundgebungen gegen das Milliarden-Projekt. Auch eine vom CDU-Politiker Heiner Geißler moderierte Schlichtung brachte die Proteste nicht zum Erliegen.

"Klarer Deckel"

Nach dem derzeitigen Volksabstimmungsgesetz müssten 2,2 Millionen Baden-Württemberger einer Rücknahme der Landeszuschüsse von 869 Millionen Euro für das derzeit 4,1 Milliarden Euro teure Vorhaben zustimmen, sagte Kretschmann. Bei den Landtagswahlen am 27. März hatten aber nur 1,2 Millionen Bürger die Grünen gewählt, die als einzige für einen Ausstieg eingetreten waren. Die SPD halte an dem Umbau des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof fest, sagte Schmid. Die 2,9 Milliarden Euro teure ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm solle gebaut werden. Kretschmann stellt sich am 12. Mai als erster grüner Ministerpräsident in Deutschland im Landtag zur Wahl.

Kretschmann sagte, das Land werde auf jeden Fall keine weiteren Kosten über der vertraglich festgelegten Höchstgrenze von 4,5 Milliarden Euro tragen. "Es ist jetzt ein klarer Deckel da", sagte Kretschmann. Die Landesregierung werde auch auf vollständige Transparenz des geplanten Belastungstestes des neuen Bahnhofs sorgen. Danach will das Schweizer Institut SMI im Sommer prüfen, ob der geplante achtgleisige Durchgangsbahnhof in der Spitzenstunde mehr Züge abfertigen kann als der bestehende 16-gleisige Kopfbahnhof. "Nach Abschluss wird eine aktualisierte Kostenrechnung eingeholt und von der Landesregierung geprüft", skizzierte Kretschmann den weiteren Weg. Dann könne die Deutsche Bahn entscheiden, ob sie das Projekt noch weiter vorantreiben wolle. Ein Ausstiegsgesetz soll die Bewältigung möglicher Ausfallkosten regeln, die die Bahn bis auf 1,5 Milliarden Euro beziffert.

Bislang müssten laut Landesverfassung mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten einem Stopp für Stuttgart 21 zustimmen. dieses Quorum will Grün-Rot nun senken. In der abgelaufenen Legislaturperiode war schon ein erster Versuch im Landtag gescheitert, das Quorum von 33 Prozent der Wahlberechtigten auf 25 Prozent zu senken. Zur Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag notwendig. Der müsste die oppositionelle CDU zustimmen. (APA/Reuters)