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Zum Nowruz-Fest vulgo Frühlings- anfang reisen die Iraner zum Shoppen nach Istanbul. Zum Glück ist gerade Ausverkauf!

Foto: arabian Eye / Corbis
Grafik: DER STANDARD

Der Astronom spricht von Äquinoktium, bei den Persern und Kurden ist es das Nowruz-Fest, und Hakan Kurt hört die elektronischen Kassen fiepen. Zur Tagundnachtgleiche - vulgo Frühlingsanfang - ziehen die Iraner los. Istanbul heißt jetzt das Ziel oder genauer gesagt Prada & Co. Wenn im Iran zum Frühlings- und Neujahrsfest im März für eine Woche alles stillsteht, kommen die Nachbarn aus dem Orient zum Shoppen. "Es werden jedes Jahr mehr", sagt Hakan Kurt, der Geschäftsführer des Istiniye Park, einer der großen neuen Einkaufstempel in Istanbul. Die Iraner sind ihm am liebsten.

Zum Nowruz-Fest hat Istanbul dieses Jahr die Mutter aller Konsumoffensiven gestartet: Vierzig Tage Garantiert-letzte-Chance-Superschlussverkauf und schauen, einpacken, zahlen bis spät in die Nacht. Das Istanbul Shopping Festival dauert vom 18. März bis 26. April. In den ersten Maschinen, die am Morgen des 18. März in Istanbul landeten, saßen bereits - Iraner. In den Empfangshallen der beiden Flughäfen der Stadt standen rot gewandte Männer mit schwarz angemalten Gesichtern bereit - die traditionelle iranische Nowruz- Figur Haji Firuz - und lotsten die Gäste zu den Hotels. Da wird das Herz des Konsumpilgers gleich warm. Wellen von Einkaufstouristen aus dem Iran zum Nowruz-Fest gibt es in der Türkei seit längerem, doch seit der Visazwang weg ist und die türkische, konservativ-muslimische Regierung das im Westen isolierte Land mit Sympathie überschüttet, boomt das Geschäft erst richtig.

Neue Flugrouten aus Teheran und großen iranischen Städten wie Shiraz, Täbris oder Mashdad sind nun eröffnet worden. Zwei Millionen Besucher aus dem Iran kamen 2010 ins Nachbarland Türkei, 400 Prozent mehr als im Jahr davor - der Großteil zum Frühlingsbeginn. Zusammen mit den Deutschen, Russen und Briten werden die Iraner bald die größte Touristengruppe sein, glauben Reiseveranstalter in Istanbul. Mit einem kleinen wichtigen Unterschied: Iraner gelten als "big spenders".

Die durchschnittliche iranische Familie, die zum Shoppen an den Bosporus kommt, knausert nicht. "Schnäppchen-Urlaub" und Sparhotel sind etwas für Europäer, die Iraner wollen Luxus.

Die Kanyon-Shoppingmall im Istanbuler Finanzdistrikt Levent, das Carousel in Bakiköy, nicht allzu weit vom Flughafen Atatürks oder Hakan Kurts Istiniye Park im gleichnamigen Viertel hinter der zweiten Bosporusbrücke sind ihre bevorzugten Adressen. Sieben Prozent seines Umsatzes macht das Istiniye mit den Iranern übers Jahr gerechnet. Während des Nowruz-Fests aber haben sie das Monopol an den Kassen.

Wer es sich leisten kann, nimmt also ein paar Tage Auszeit von Straßendemos und Urananreicherung, Kopftuchzwang und UN-Sanktionen. Istanbul ist ein angenehmer Ort für Iraner, um Dampf abzulassen - ganz gesittet: Touristen aus dem Iran gelten hier als höflich und unkompliziert, und falls sie sich einen hinter die Binde kippen, dann weiß das allenfalls die Minibar im Hotelzimmer. "Die Iraner fühlen sich hier wohl", sagt Hakan Kurt, der Istiniye-Geschäftsführer, kulturelle Ähnlichkeiten, die Religion, die Nachbarschaft spielen hier eine Rolle. Pilgern in die Normalität könnte man das nennen. (Markus Bernath/DER STANDARD/Rondo/22.04.2011)