Foto: Standard

2. Mai 1986: Ein österreichischer Grenzbeamter dekontaminiert einen aus der Tschechoslowakei kommenden Lkw mittels Seifenlaugendusche.

Foto: Standard/Cremer

Bild nicht mehr verfügbar.

6. Oktober 2000: Anti-Atom-Aktivisten (vorn eine Schulklasse) blockieren aus Protest gegen das AKW Temelín 13 Stunden lang den Grenzübergang zu Tschechien.

Foto: REUTERS OESTERREICH/rubra

Noch immer sehen sich die Österreicher als Tschernobyl-geschädigt.

***

Zwei Drittel der Österreicher sehen mehr oder weniger große Auswirkungen des Tschernobyl-GAUs auf Österreich - und diese Auswirkungen werden von Befragten unter 30 Jahren (die die Katastrophe allenfalls als Kinder mitbekommen haben können) beinahe ebenso stark wahrgenommen wie von älteren Personen, die Zeitzeugen sind.

Das geht aus zwei Wellen einer Market-Umfrage für den Standard hervor. Auffallend ist, dass vor allem Frauen besonders große Folgen der Tschernobyl-Katastrophe auf unser Land wahrnehmen: 25 Prozent der Österreicherinnen sehen "sehr große Auswirkungen", weitere 49 Prozent nennen die Auswirkungen "groß". Nur 24 Prozent der Frauen, aber 35 Prozent der Männer sehen weniger bis gar keine Auswirkungen des Kernkraftunfalls auf Österreich. Wenig überraschend ist, dass die Auswirkungen von Grün-Wählern besonders hoch eingeschätzt werden.

Auch Blaue denken grün

Aber auch im Kreis der Freiheitlichen gibt es einen großen Kreis mit sehr großen Atomsorgen - schließlich war die FPÖ schon seit den 1960er-Jahren eine Anti-Atom-Partei, ihr Vizekanzler Norbert Steger hat die in der kleinen Koalition betriebene Eröffnung von Zwentendorf verhindert, und in den vergangenen Jahren hat die FPÖ immer wieder Kampagnen mit dem Thema Temelín angestoßen. Dieses Engagement nimmt man den Freiheitlichen außerhalb ihrer eigenen Wählerschaft aber kaum ab.

Die Grafik zeigt: Der FPÖ wird wie den anderen österreichischen Parteien ein zu geringes Engagement gegen Atomkraft attestiert - selbst die eigenen Wähler hätten gern mehr blaue Anti-AKW-Politik.

Die größte Kompetenz zur Politik gegen Atomkraft wird Greenpeace zugetraut: Greenpeace wird von 80 Prozent der Jungwähler und immerhin noch von 57 Prozent der Senioren als glaubwürdig in der Anti-Atom-Haltung gesehen - die einzige Gruppe, die Greenpeace ein wenig (aber auch nicht mehrheitlich) distanziert gegenübersteht, sind die Wähler der Koalitionsparteien.

Anerkennung für die Grünen

Auch die Grünen bekommen sehr hohe Anerkennung für die Glaubwürdigkeit ihres Engagements, sogar von den Wählern anderer Parteien - mit der markanten Ausnahme, dass ÖVP-Anhänger von den Grünen mehr glaubwürdiges Engagement einfordern.

Greenpeace, Global 2000 und andere Umweltinitiativen führen gemeinsam mit den Grünen die Glaubwürdigkeitsliste vor dem Umweltministerium, der Krone und den Landesregierungen an. Hier sind es vor allem die Bewohner der westlichen Bundesländer, die ihren Landesregierungen glaubwürdiges Engagement attestieren.

Im Osten und Süden wird ein entsprechendes Engagement wesentlich weniger deutlich wahrgenommen. Ganz am Ende der Liste steht übrigens die EU - hier hat sich herumgesprochen, dass Euratom, die institutionalisierte Atomlobby in Brüssel, ein wesentlicher Bestandteil der Union ist.

Der Standard ließ auch fragen, wie die Österreicher die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre einschätzen: "Ist Atomstrom in Europa in den letzten 25 Jahren eher bedeutender geworden oder hat die Bedeutung des Atomstroms in Europa Ihrer Meinung nach eher abgenommen?" Darauf sagen 77 Prozent, dass Atomstrom wichtiger geworden ist, nur in der niedrigsten Bildungsschicht gibt sich eine nennenswerte Minderheit der Illusion hin, dass Atomkraft an Bedeutung verloren habe. (Conrad Seidl, DER STANDARD-Printausgabe, 23./24./25.4.2011)