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Zu Ostern kommt nicht nur der Hase, sondern auch der Stau. Generell reicht die vorhandene Infrastruktur aber aus, sagt ÖAMTC-Generalsekretär Oliver Schmerold. Mehr Straßen will er dennoch.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Standard: Wann sind Sie zum letzten Mal im Stau gestanden?

Oliver Schmerold: In den Semesterferien, am großen deutschen Eck.

Standard: Auch Ostern wird es auf der Tauernautobahn zu kilometerlangen Schlangen kommen. Gibt es zu viele Autos?

Schmerold: Zu den Spitzenzeiten. Aber es ist sinnlos, ein Straßennetz auf diese Belastung auszulegen. Die vorhandene Infrastruktur kann den Verkehr gut aufnehmen.

Standard: Warum werden dann dennoch neue Autobahnen und Umfahrungen gebaut?

Schmerold: Man muss schauen, wo es Lücken gibt. Die Nordautobahn nicht zu bauen wäre ein Fehler. Die Verkehrsströme haben sich geändert, das ist etwa auch bei der Linzer Westspange ein Thema.

Standard: Kritiker sagen zu dieser Umfahrung aber auch, dass sie nur nötig ist, weil die Menschen aus der Stadt ins Umland ziehen?

Schmerold: Das stimmt zum Teil, in Linz gibt es den Trend noch. Wir müssen in der Stadtplanung die Verkehrsströme mitdenken.

Standard: Was die Frage nach dem Pendlerpauschale aufwirft. Jene, die in der Stadt wohnen, subventionieren die, die sich günstigere Wohnungen auf dem Land kaufen.

Schmerold: Ja, das ist ein Problem. Dieses Dilemma wird man aber nicht lösen können. Wenn wir als ÖAMTC von Pendlern sprechen, meinen wir jene, die schon lange in ihrem Ort wohnen und zur Arbeit fahren müssen. Aber das Pendlerpauschale muss angepasst werden, zumindest die Fahrtkosten mit Öffis abdecken. Auch geringfügig Beschäftigte oder Teilzeitarbeiter müssen es bekommen, dafür sollte es kilometermäßig viel feiner abgestuft werden.

Standard: Fahrtkosten mit einem öffentlichen Verkehrsmittel lassen sich aber schwer berechnen, wenn Nebenbahnen zugesperrt und Buslinien eingestellt werden.

Schmerold: Ja, was da passiert, ist falsch. Für die ÖBB ist es betriebswirtschaftlich sinnvoll, aber volkswirtschaftlich und umweltpolitisch ist es ein Fehler.

Standard: Eine Finanzierung durch eine kilometerabhängige Pkw-Maut wäre eine Lösung?

Schmerold: Da sprechen wir uns klar dagegen aus. Über die Mineralölsteuer wird ohnehin schon jetzt der Verbrauch besteuert.

Standard: Was Menschen offenbar nicht abhält, auch für kürzeste Distanzen das Auto zu verwenden.

Schmerold: Da sollte sich das Verhalten ändern. Wir sehen uns nicht als reiner Autofahrerclub, sondern als Mobilitätsclub, der alle Arten der Mobilität unterstützt. Wir müssen Bewusstseinsbildung betreiben und auf die öffentliche Hand einwirken.

Standard: Was sollte die Politik denn machen?

Schmerold: Auf keinen Fall Zwangsmaßnahmen setzen, die das Autofahren verleiden. Wir glauben, dass die Selbstverantwortung der Menschen groß genug ist.

Standard: So weit kann es mit der Selbstverantwortung nicht her sein, wenn der Trend zum Drittauto geht?

Schmerold: Stimmt. Aber das Auto ist auch ein Ausdruck der Lebensqualität, sich frei bewegen zu können. Es sind alle gefordert, es sinnvoll einzusetzen.

Standard: Wenn Sie ein Mobilitätsclub sind - haben Sie keine Angst, dass die 1,8 Millionen Mitglieder unruhig werden, etwa wenn sie sich für Öffis einsetzen?

Schmerold: Nein. Unser Kerngeschäft bleibt die Dienstleistung rund ums Auto. Aber wir verkaufen ja schon Elektrofahrräder und engagieren uns bei Elektroautos. Aber wir wollen das Feld nicht anderen überlassen und klare Positionen bei Verkehrsthemen einnehmen. Wir sind zum Beispiel klar gegen die City-Maut.

Standard: Dennoch - als Mobilitätsclub müssten Sie ja mit der ÖBB verbilligte Vorteilcards anbieten?

Schmerold: Wir bieten gemeinsame Vorteile an. Aber es laufen Gespräche mit den ÖBB-Managern, da geht sicher noch etwas.

Standard: Stichwort Elektromobilität: Woher soll die Energie dafür kommen?

Schmerold: Der Ausbau der Wasserkraft ist noch weiter möglich. Wenn wir nachhaltig Energie erzeugen wollen, müssen wir aber die Realitäten anerkennen. Es wird Staumauern, Windparks und großflächige Solaranlagen geben müssen.

Standard: Glauben Sie denn überhaupt an Elektroautos? Das Problem des Aufladens ist nicht wirklich gelöst.

Schmerold: Wir eröffnen bald eine Schnellladestation, bei der man in einer halben Stunde die Batterie zu 80 Prozent laden kann.

Standard: Für welche Reichweite?

Schmerold: Etwa 100 Kilometer. Aber von dem Bild, dass ich einfach in ein Elektroauto steige und nach Salzburg fahre, muss man sich verabschieden. Das wird es auch in 20 Jahren nicht geben.

Standard: Was ist generell in der Verkehrspolitik nötig?

Schmerold: Ich würde mir wünschen, dass man mit etwas mehr Mut an Zukunftsplänen arbeitet und zivilgesellschaftliche Plattformen wie uns einbezieht.

Standard: Mut ist aber eine Definitionsfrage. Was würde passieren, wenn die Grünen regieren und den Benzinpreis auf fünf Euro erhöhen?

Schmerold: Das wäre auf jeden Fall ein mutiger Schritt. Aber nur durchführbar, wenn davor alle Probleme rund um den Ausgleich für Pendler und Fragen um die Alternativen geklärt sind - also wenn der öffentliche Verkehr zuvor massiv ausgebaut wird. Mutig heißt aber auch, ein klares Bekenntnis dazu abzugeben, dass die Automobilität Teil unserer Gesellschaft ist. Und dass daher Straßenbauten umgesetzt werden, die ja auch der Verkehrssicherheit und der Volkswirtschaft dienen.

Standard: Das heißt, Ihnen graut nicht vor einer grünen Regierungsbeteiligung?

Schmerold: Nein, wir haben ja in Wien gute Erfahrungen damit gemacht. Frau Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou redet mit uns, und sie hat klar gesagt, dass die Wiener unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse haben.

Standard: Zwei letzte Fragen: Haben Sie an den Feiertagen Urlaub, und fahren Sie mit dem Auto weg?

Schmerold: Wir sind da in Niederösterreich, 70 Kilometer von Wien entfernt. Meine Familie fährt dorthin mit dem Auto, ich mit dem Rad. Aus sportlichen Gründen. (Michael Möseneder, DER STANDARD-Printausgabe, 23./24./25.4.2011)