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Ein Mann bei einer Demonstration gegen das Assad-Regime vor der syrischen Botschaft in Amman (Jordanien)

Foto: REUTERS/Muhammad Hamed

Damaskus/Istanbul/Tel Aviv - Das syrische Regime geht ungebremst mit brutaler Gewalt gegen die wachsende Protestbewegung vor. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA meldete am Dienstag, die Armee sei "auf Bitten der Bewohner von Daraa" in die Stadt einmarschiert. Daraa ist eine Hochburg der Regimegegner, die seit Mitte März gegen das seit nahezu einem halben Jahrhundert bestehende diktatorische Machtsystem der Baath-Partei von Präsident Bashar al-Assad protestieren. 

In Deraa gehen auch einen Tag nach dem Einmarsch der Armee die Kämpfe weiter. Gewehrfeuer und die Einschläge von Granaten in der belagerten Stadt seien zu hören gewesen, berichtete ein Anwohner. Die Menschen versuchten sich vor den Panzern und Scharfschützen in Häusern in Sicherheit zu bringen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind seit dem Einmarsch der Armee am Vortag mindestens 20 Menschen getötet worden. Seit den vor Monatsfrist ausgebrochenen Protesten gegen Staatschef Baschar al-Assad sind nach Angaben der syrischen Menschenrechtsgruppe Sawasiah 400 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden.

Eine andere syrische Menschenrechtsgruppe teilte mit, am Dienstag sei der bekannte Menschenrechtler Qassem al-Ghazzawi verhaftet worden. Sicherheitskräfte nahmen demnach den Aktivisten in seinem Haus in der Stadt Deir al-Sor im armen Osten des Landes fest. In der Region hatten die Proteste gegen Assad vergangene Woche zugenommen.


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Am Montagmorgen waren nach Angaben von Oppositionellen Tausende von Soldaten und Angehörigen der Spezialeinheiten mit Panzern und Scharfschützen in die Stadt Daraa eingedrungen. Die Regimegegner sprachen von zwanzig getöteten Zivilisten. SANA meldete, sowohl in den Reihen der Sicherheitskräfte als auch der "extremistischen Terrorgruppen" habe es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Die USA haben mit Sanktionen gedroht und ihre Staatsbürger aufgefordert, Syrien zu verlassen. Die Familienangehörigen von Botschaftsmitarbeitern sowie nicht dringend benötigtes Personal waren am Montagabend zur Ausreise aufgefordert worden.

Mit Namenslisten von Haus zu Haus

Unterstützer der Proteste erklärten, in mehreren Ortschaften der Region Hauran seien die Strom- und Wasserversorgung und die Telefonverbindungen gekappt worden. Aus der Stadt Duma war zu erfahren, die Sicherheitskräfte seien mit Namenslisten von Haus zu Haus gegangen. Sie hätten Dutzende von Männern abgeführt. In Homs sollen uniformierte Männer versucht haben, in das Al-Barr-Krankenhaus einzudringen, in dem verletzte Demonstranten behandelt wurden. Unbekannt ist, wie viele Demonstranten bisher getötet wurden. Die Opposition spricht von mehr als 350 Opfern. Alleine am vergangenen Freitag sollen 112 Aktivisten getötet worden sein.

Eine Destabilisierung des Assad-Regimes könne zu einer regionalen Krise führen, warnte der ehemalige israelische Unterhändler Rabinovich. Assad und seine Bündnispartner in Teheran könnten den Konflikt mit Israel anheizen, um von den internen Problemen abzulenken. Die blutigen Unruhen in Syrien schwächten die Achse Damaskus-Teheran-Hisbollah-Hamas. Insofern wäre eine Schwächung des syrischen Regimes ein "reiner Gewinn" für Israel. "Aus regionaler Sicht macht die Schwächung Syriens ein wenig den Schaden wett, den Israel durch den Richtungswechsel in Ägypten erfahren hat." Andererseits berge ein möglicher Sturz Assads auch Gefahren für Israel. Die unterdrückten Muslimbrüder seien immerhin die größte organisierte politische Kraft in Syrien.

Hinzu käme, dass eine Destabilisierung Syriens zu einer noch viel gefährlicheren Destabilisierung des Libanon führen könnte. Israels Geheimdienste befürchten, dass sich die Machtverhältnisse im Libanon infolge der Schwächung des syrischen Regimes weiter zugunsten Teherans verschieben. Sollte das Assad-Regime zu Fall kommen, hätte die schiitische Hisbollah noch mehr Freiraum und der Libanon würde dann vollends zu einem iranischen Mittelmeer-Brückenkopf werden, warnten israelische Geheimdienstkreise. (APA/Reuters)