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Von einer Yogastunde im luxuriösen "Ananda in the Himalayas" bis zur beschwerlichen Pilgerfahrt zu den Gangesquellen: Indien war und ist ein beliebtes Ziel der Sinnsucher.

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Anreise: Täglich Direktflug Wien-New Delhi mit www.aua.com. Inlandsflug: mit www.flyKingfisher.com, www.jetairways.com und Indian Airlines zum regional Gateway Jolly Grant Airport Dehradun.

Infos u. a. zu Festivalterminen: www.india-tourism.de

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www.chardham.com ist ein indischer Spezialist für Pilgerfahrten in die Garhwal Himalayas.

Hoteltipp: Ananda in the Himalayas: www.anandaspa.com

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Reisezeit: Die Pilgersaison entspricht der besten Reisezeit - April bis Ende Oktober (starke Niederschläge Mitte Juli bis Mitte September).

Grafik: DER STANDARD

Die Berge stehen Kopf, aber nur noch für ein paar Atemzüge. "Inhale - exhale", säuselt der Yoga-Lehrer seiner Klasse vor, ein zuckersüßer Singsang, der die Muskeln weicher macht und den Rücken gerade. Doch dann ist es endlich aus mit Shirshasana, dem Yoga-Kopfstand im Marmorpavillon, und die Welt renkt sich langsam wieder ein.

Die Schüler in den weichen, weißen Baumwollpyjamas stehen gerade, die entfernten Berge und die Bäume der gepflegten Parkanlage tun es auch. Bloß der stille Lotusteich vorm Pavillon versucht noch einen letzten Trick, zeigt alles weiterhin stur auf den Kopf gestellt. "Maya, Illusion", sagt Lehrer Govinda und lässt einen Stein ins Wasser plumpsen. Schon löst sich das Spiegelbild in weichen Wellen auf. Genauso ist es mit dem Rest der Welt, wie wir sie sehen. Für eine Reise nach innen ist das Ananda trotzdem fast zu schade. Zu schön ist der Flecken Erde, als dass man ihn einfach als Illusion abtun möchte. Das Ananda ist die exklusivste Wellness-Adresse der Himalayas und bietet Entspannung auf höchstem Niveau. Das heißt auf fast höchstem Niveau. Denn mit tausend Meter Höhenlage ist man erst in den grünen Siwalik-Hügeln über der Gangesebene.

Verlässt man das Yoga-Fegefeuer für einige Lungenzüge und schwebt auf die kurvige Bundesstraße hinaus, dann kommt die Erleuchtung knallrot, als Bremslichterpaar, und begleitet vom Mantra gequälter Kleinbusmotoren, für die das Nirwana wohl wie ein 100.000-Kilometer-Service aussieht. Safranfarben, in Indiens politisch instrumentalisiertem, vom Hindu-Chauvinismus vereinnahmten Farbton, spannen sich im Wageninneren die Yatra-T-Shirts über die Kugelbäuche der hier hoch gekarrten Mittelschicht-Pilger. Andere Wallfahrer rollen lieber per Enfield-Motorrad die Bergstraße hoch. Urcool und mit Safran-Stirnbändern im Rambo-Look.

Das Wellness-Ananda liegt in der Einzugsschneise einer der berühmtesten Wallfahrtsregionen des - hinsichtlich Pilgerzielen wahrlich dicht bestückten - Subkontinents, nämlich der verzweigten Quellregionen von gleich vier heiligen Flüssen, darunter des mächtigen Ganges. Wasser für 350 Millionen Menschen machen ihn zur wichtigsten Lebensader Nordindiens, und sein breites Ursprungsgebiet zum potenziell heiligen Terrain und Ziel des Char-Dham-Pauschaltrips ("vier heilige Plätze") - was nicht ohne entsprechendes Verkehrsaufkommen abgeht.

Pilgerort reiht sich hier, im erst 2000 gegründeten Himalaya-Bundesstaat Uttaranchal, an Pilgerort. Im Uhrzeigersinn werden die einzelnen heiligen Stätten der atemberaubend schönen Bergdistrikte abgeklappert: Yamunotri, verehrt als die Quelle des Yamuna, der später Delhi durchzieht. Badrinath, der mit monatlich bis zu 400.000 Pilgern am stärksten kommerzialisierte Himalaya-Wallfahrtsort ganz im Osten der Region, dessen reiche Tempeleinnahmen seit 1948 direkt in die Staatskassen fließen.

Oder Gangotri am Bhagirathi-Fluss. Sein Quell gilt im Volksglauben als eigentlicher Ursprung der "Mutter Ganga" und lockt, neben schwer vermummten Indern mit forschen Mountaineering-Ambitionen, die meisten Sadhus an: Halbnackt im Gletscher von Gaumukh meditierende Asketen, die dort die 108 Namen der Mutter Ganga herunterleiern. Ebenso viele aufgefädelte Samen der Himalaya-Baumspezies Elaecarpus Ganitrus tragen Millionen Shivaiten als Mala, einer Art Rosenkranz, im ganzen Land aufgefädelt um den Hals. Seltene Rudrakshas-Samenkerne erzielen in den Devotionalienhandlungen der heiligen Pilgerorte Höchstpreise, und die hellen und gelben Samen stehen dabei weit besser im Kurs als dunkelbraune und rote. Hinter diesen Farbpräferenzen verbergen sich bis heute die ursprünglichen Kriterien der Kastenaufteilung nach Hautfarbe: Weiß steht da für Brahmin, Gelb für Bauern, und dunkel wie der Teint der unterworfenen vorarischen Urbevölkerung sind die der niederen Sudra-Kaste zugeordneten, dunkelbraunen Kügelchen der billigsten Rudraksha-Ketten.

Verwaschen haben sich indessen traditionelle Strukturen der Char-Dham-Yatra (Pilgerfahrt), die früher einen zumindest achtwöchigen Fußweg quer über die Pässe der Siebentausender bedeutete. Durch die motorisierte Anreise sind die direkten Saumpfade zwischen den wichtigsten Stationen ebenso verwaist wie viele der einstigen Rastplätze. Historische Ghats-Bade-Plätze an Zusammenflüssen haben so einen unübersehbaren Funktionsverlust erfahren. Nostalgische Marktflecken wie Rudraprayag oder Soneprayag sind längst nur noch Verschnauf- und Teepausen entlang der bequemen Anfahrt - was zugleich das Potenzial touristischer Spurensuche erhöht.

Eher geht ein Reisebus durchs Nadelöhr als ein Gehfauler ins Himalaya-Mariazell. Im Falle des Gebirgsörtchen Gaurikund stimmt dieser Sager jedenfalls nicht. Bunt gemischter Blechsalat auf dem Parkplatz, und dutzende Sänften nepalesischer Träger erwarten die Pilger hier, am Ende der alten hinduistischen Yatra-Route, die in den Fels und die ausgedünnten Zedernwälder der Himalayas gesprengt wurde. Wer will, kann nun in eine der archaischen Sänften umsteigen und die letzten vierzehn Kilometer nach Kedarnath am Buckel von nepalesischen Trägern hochschweben. Was in Summe eine kuriose Kolonne schnaufender Gastarbeiter und "seekrank" herumschlingernder Kunden ergibt, die auch Alte und Sieche zum 3500 Meter hoch gelegenen Shiva-Tempel bringt. Fünf Stunden dauert die Schinderei am Berghang. Zügig steigen die geübten Träger barfuß über klatschnasse Steine und Felsstufen, daneben gluckst und gurgelt der eisgrüne Mandakini, einer der Quellflüsse des heiligen Ganges, ein Geräusch, das sich viele gläubige Hindus erst im vorgerückten Alter zu Gehör bringen können. Nachdem die Arbeit an den Sohn übergeben, die Töchter verheiratet und vielleicht dennoch einige Ersparnisse vorhanden sind, ist die traditionelle Zeit für die Pilgerreise gekommen.

Nach dharma, der Zeit des weltlichen Lernens, artha, dem aktiven Berufsleben, und kama, der Ehe und Familiengründung, steht moksha im Zeichen der spirituellen Suche. Ein wenig moksha haftet so auch den Bustickets an, mit denen die oft schon sehr betagten Pilger den teuren Trip antreten. Reisekataloge von boomenden "Pilgrim Travel Agencies" greifen dabei auf die altindischen Texte der Puranas zurück: Die langen Purana-Listen von Pilgerzentren (Tirthas) in der nordindischen Gangesebene und den Flusstälern des Himalaya blieben dabei unverändert aktuell.

Kedarnath ist so ein Tirtha von hoher Qualität: Adler kreisen am tiefblauen Himmel, in den Boden gerammte Dreizacke, rote Stofffetzchen, zum Knoten aufgesteckte Haare unterwegs postierter Sadhus verraten die Hinwendung zur Gottheit Shiva, die auf dem tibetischen Berg Kailasa ihren Sitz hat, über dessen Haarschopf nach der Vorstellung der hinduistischen Mythologie der mächtige Ganges zur Erde geleitet wird. Die Moränenfelder und Gletscher oberhalb Kedarnaths sind Teil dieses kulturellen Einzugbereichs, und ein großer steinerner Lingam, phallisches Shiva-Symbol, steht im Zentrum der Hochgebirgsmulde dafür Pate. Heilig ist aber auch der See oberhalb von Kedarnath: In den Gandhi Sarovar wurde hoch über der Baumgrenze und nahe am eingefrorenen Himmel der Götter Asche des ermordeten Mahatma eingestreut. (Robert Haidinger/DER STANDARD/Rondo/22.04.2011)